Zeit / Altern

Sonntagabend, halb zehn.

Zu wenig davon – Zeit. Von mir aus könnte der Tag einige Stunden mehr haben. Aber klar, es kommt darauf an, was man sich als Prioritäten setzt. Zum Beispiel Joggen. Da habe ich gar keine Zeit für. Oder ins Fitness-Center gehen. Trotzdem – man sollte etwas für sich tun. Zum Beispiel einen Teil seiner freien Zeit GENIEßEN. Sich in die Badewanne legen, in aller Ruhe Tee trinken und Musik hören. Natürlich kann man auch etwas anderes trinken …

Die Idee war, über die Zeit zu schreiben. Da eine Freundin etwas übers Altern wissen möchte, lasse ich das mit der Zeit und schreibe ein paar Worte aus meiner Sicht über das Altern. Zeit und Altern gehören aber auch unwiderruflich zusammen. Vielleicht gelingt mir ja ein Text, in dem beide Worte ihre Berechtigung finden.

Die Zeit ist die stärkste Waffe gegen den Menschen, gegen den Planeten, leider, gegen die ganze Welt. Alles altert. Nichts bleibt verschont. Alles wird dreckiger, wenn wir nichts unternehmen, alles wird zerstört. Wir könnten die Zerstörung noch etwas hinauszögern, wenn wir uns änderten, aber im Grunde, so hart es klingt, ist die Zeit nach Milliarden von Jahren abgelaufen. Innerhalb von nicht einmal 150 Jahren haben wir es geschafft, die Welt zu vergiften. Das sind nur zwei Menschenleben. Klar, das möchte niemand hören, die meisten hören eh weg, wenn es um das Ende geht. Das Ende des Menschen, das Ende der Erde, das Ende des Universums, den Tod. Wer möchte sich schon gern mit dem Sterben auseinandersetzen! Es gibt Menschen, die haben keine Angst vor dem Tod, sagen sie. Für sie bedeute er Erlösung. Das kann ich gerne glauben. Aber diese Menschen müssen meiner Meinung nach völlig frei in ihrem Gewissen sein, sonst haben sie keines. Gibt es Menschen ohen Gewissen? Gewiss nicht. Und man muss am letzten Tag sagen können: Ich habe gelebt. Ich würde alles wieder genauso machen. – Sind diese Leute nicht zu sehr eingebildet und überzeugt von sich? Machtmenschen. Machtbesessen. Vielleicht haben diese Machtmenschen ja wirklich kein Gewissen. Manche Mörder. Selbstmordattentäter. Räuber … Nietzsche sagte: Gott ist tot! – Ein Freund von mir sagte, Nietzsche meine damit, die Moral sei tot. Also ist seiner Meinung nach der Glaube zerstört. Doch, es gibt unmoralische Menschen, aber ich glaube, viele sind es nicht. Bringt der Glaube einen ins Paradies? Ich glaube, das Paradies ist auf der Erde. Wir werden wieder geboren, so lange die Erde existiert. Das wäre jedenfalls meine Traumvorstellung. Gerne würde ich wieder auf die Erde kommen, gerne in diesem Lande, wenn ich’s mir aussuchen könnte. Die Anthrophosophen behaupten, das Paradies sei die Mitte zwischen zu Tode betrübt und himmelhochjauchzend. Für die Christen gibt es Hölle, Paradies und das Fegefeuer, in dem man gereinigt wird. Im Buddhismus gibt es widerum die Reinkarnation, der Mensch kann sogar zu einer Pflanze werden. Das glaube ich nicht. Ich glaube, der Mensch hat die höchste Bewusstseinsebene erreicht, auch wenn das eingebildet und für den einen oder anderen anmaßend klingt. Scheiße, ich will hier überhaupt keinen religiösen Vortrag halten. Dazu bin ich viel zu unreligiös! Bleibe ich also lieber bei mir:

Als ich mit 28 in der Psychiatrie war, sagte die Psychiaterin zu mir, ich käme ihr wie ein 16-jähriges Blumenkind vor. In der Zeit von damals stehengeblieben. Tatsächlich kann ich mich wie ein Teenager verlieben, noch immer. Meine Hormone spielen dann total verrückt. Ich fühle mich wieder wie, na ja, nicht 16, aber Mitte zwanzig. Mein Geist fühlt sich noch immer jung an, mein Körper wird natürlich fetter und langsamer. Udo ist 70 Jahre alt und topfit. Er schafft Liegestütze, er joggt um die Alster, schwimmt im Hotelschwimmbad, macht Gymnastik, wirkt auf seinen Konzerten wie aus Gummi. Da bekommt man doch Lust, es ihm gleichzutun. Und das Schöne ist, trotzalledem genießt er das Leben. Die Oma meiner Frau wird jetzt im Januar 94, sie ist im Geist wach und klar, aber der Körper macht ihr zu schaffen. Sie würde gern in Würde sterben. Ich hoffe, dass sie das bei uns Zuhause schafft. Es wäre schade, müsste sie die letzten Jahre im Pflegeheim verbringen, weil wir es nicht bringen, sie ganzheitlich zu pflegen. Ein Freund von mir ist vor kurzem gestorben. Man amputierte im Scheibchenweise Fuß und Bein. Er wollte nicht mehr, er sagte, sein Zustand sei die Hölle, und der Tod das Paradies. Für den einen ist das Altern schön, so lange er sich der Gesundheit erfreuen kann. Dann kann er auch rumtönen und angeben. Aber ich wette, wenn es ihm so schlecht wie manchem anderen geht, heult er auch rum. Dummschwätzer. Nein, vielleicht habe ich keine Angst vor dem Tod, vielleicht … Aber davor, mich einzuscheißen, nicht mehr gehen zu können, zu schwach zu sein, um dem Leben selbst ein Ende zu setzen. Zu schwach körperlich sowie auch seelisch. Man sollte schon in jungen Jahren auf den Tod vorbereitet sein. Es gibt Indianer, die sich als junge Krieger den Platz aussuchen, an dem sie sterben werden. Ihnen ist bewusst, dass die sterben. Uns nicht. Wir denken, uns geht das nichts an. Warum also den Kopf darüber zerbrechen. Ach, Scheiß drauf. Wichtig ist, das Leben zu genießen, die Augen offen zu halten, bescheiden zu sein, was darunter auch immer verstanden sein will, dem einen oder anderen zu helfen, auf die Umwelt und Natur zu achten und die Mitte zu finden. Freundlichkeit, Ehrlichkeit, wieder ein paar Tugenden aufleben lassen, darauf kommt es doch an. Und gerade im Alter sollte einem ein Licht aufgehen. Geschieht dies nicht, kommt man eben wieder als Trottel zur Welt, vielleicht wird man in eine Trottelfamilie geboren … wer weiß. Neugierig bin ich allemal auf den Tod. Und ich hoffe, ich krieg die Kurve und mache auch mal ein wenig Sport. Damit meine ich nicht fünf Mal im Jahr, sondern kontinurierlich. Ich möchte so alt wie möglich werden und dabei gesund bleiben. Falten und graues Haar stellen keine Probleme dar. Sollten es bei keinem, auch nicht bei den schönsten Frauen. Lieb das Leben, sei neugierig auf den Tod, verlier nicht den Respekt vor dem Altern   !

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