SHG „über den Berg“

Gerade zieht eine Welle der Depression übers Land. Bücher kommen auf den Markt, Prominente outen sich, in vielen Zeitungen ist darüber zu lesen. Man hört von Burn Out, von Angst- und Panikattacken, Borderline und Phobien. Hin und wieder gibt es einen Einblick in die Bipolarität, aber eben nur hin und wieder. Was noch immer das totale Tabuthema ist, ist die Schizophrenie. Sie macht vielen Menschen Angst. Und genau das ist der Grund, warum ich mit meiner Diagnose an die Öffentlichkeit gehe. Ich kenne die Depression, ich kenne die Manie und auch die Schizophrenie. Die Psychose. Siebenmal wurde ich stationär aufgenommen, ungefähr anderthalb bis zwei Jahre verbrachte ich in psychiatrischen Einrichtungen. Die Psychiatrie wird von den meisten Betroffenen niedergemacht, weil es sehr wenig Therapieangebote gibt. Die Ärzte sind überfordert, es gibt schlicht zu wenig gutes Personal. Die Betroffenen, gerade die Schizophrenen, werden mit Medikamenten ruhiggestellt. Hauptsache sie sind still und gewinnen irgendwann Krankheitseinsicht. Sind sie wieder einigermaßen auf dem Boden, werden an eine Tagesklinik überwiesen, oder einfach nach Hause geschickt. Etliche Psychotherapeuten wollen Schizophrene nicht therapieren, die Diagnose erscheint ihnen zu schwierig. Über Inhalte, die in der Psychose wichtig sein könnten, wird nicht gesprochen. Die Inhalte, die häufig religiöser Natur sind, sind für die meisten Ärzte Schwachsinn. Zumindest aber haben sie nicht die geringste Zeit, darauf einzugehen. Zu der Psychose gehört fast immer die Paranoia, der Verfolgungswahn, die Angst, getötet zu werden. Der Betroffene glaubt der Mittelpunkt der Erde, also der wichtigste Mensch (oder ein Gott) im Universum zu sein. Der Staatsfeind Nummer Eins. Aus dem Grund, weil er glaubt, alles zu durchschauen. Viele Inhalte der Psychosen ähneln sich. Manch einer braucht Jahrzehnte, bis er zur Krankheitseinsicht gelangt, andere schaffen dies leider nie. Dabei gibt es heute wirklich gute Medikamente, mit wenig Nebenwirkungen, die das Leben lebenswert machen. Zudem gibt es mehr und mehr Therapieangebote, zum Beispiel die Verhaltenstherapie, in der man lernt, mit bestimmten Alltagssituationen umzugehen. Eine solche Therapieform (vielleicht die einzige für den Psychoseerfahrenen) ist meiner Meinung nach sinnvoll. Gerade nach einer schizophrenen oder manischen Phase braucht der Betroffene professionelle Unterstützung. Ratschläge und Tipps. Ein neues Selbstwertgefühl sollte Schritt für Schritt aufgebaut werden. Kommt man aus der Klinik, fängt das Leben ganz neu an. Selbst Einkaufen zu gehen erfordert ungeheure Kraft.

Ich wünsche allen psychisch kranken Menschen ein symptomfreies und langes Leben. Es lohnt sich. So habe ich gelernt, mich über Kleinigkeiten zu freuen. Soziale Kontakte sind von ungeheurer Wichtigkeit. Isoliere dich nicht. Wenn keiner mehr etwas mit dir zu tun haben möchte, such den VPE Hannover oder unsere Selbsthilfegruppe „über den Berg“ auf, wir treffen uns jeden Freitag in der Südstadt. Schreib mir bitte.

Alles Liebe und viel viel Kraft

Henning

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