Vorletzter Abend in Chatham

Heute Abend ist es frisch, der Wind lässt die Blätter zittern und rascheln, das Meer rauscht, die Grillen sind fast verstummt. Es ist nicht so feucht wie sonst, aber die Strickjacke reicht gerade noch. Vorhin waren wir am Leuchtturm und dem wunderbaren großen Strand mit seinen bewachsenen Dünen. Mein Sohn sammelte durch das Meereswasser abgeschliffene glatte Steine, wobei wir hundert Fotos geschossen haben. Das Meer glänzt dunkelblau, die Wellen rauschen weiß an den Strand. Manche Maler verstehen es, die Farben herrvorrgagend zu treffen, ich habe hier wundervolle Bilder betrachten und bestaunen dürfen. Wir sind ein letztes Mal über die Main Street geschländert, um noch ein paar kleine Geschenke zu besorgen. Hier in Chatham gibt es viele kleine Lädchen mit Gedöns, ein paar Galerien und Kunstgeschäfte, Juweliere, Eisdielen, Klamottenboutiquen, eine Kneipe, die Squire heißt und sehr einladend aussieht (vielleicht gehen wir morgen am letzten Abend noch hin und trinken was) und eine wunderschöne alte Bibliothek. Gerne wäre ich noch einmal nach Provincetown gefahren … Egal. Mucho Guscho MUSS von einem Verlag angenommen werden, ich brauche einen dicken Vorschuss, ich möchte im Mai, bevor mein Sohn zur Schule kommt, wiederherkommen. Das muss doch irgendwie zu machen sein, vorerst die letzte Chance. Träume, Träume, Träume. Wünsche, Wünsche, Wünsche. Das hatte ich noch nie – dass ich nicht nach Hause möchte. Die traurigen Augenblicke verteilen sich über den Tag. Jetzt weiß ich noch mehr, warum ich jeden Tag schreibe und hoffe und träume. Ein neuer Traum ist hinzugekommen, ich weiß allerdings auch, was hier ein Haus kostet, will man es für eine Woche regulär mieten. Kein Zuckerschlecken. Vielen, vielen Dank noch einmal an unsere guten Freunde, die uns diese Reise ermöglicht haben. Wir wussten jeden Tag zu schätzen. Wir nehmen tausend Eindrücke mit nach Hause, und Kraft, und Ideen, und unkreativ war ich in diesen drei Wochen ohnehin nicht. Mucho Guscho hat den letzten Schliff bekommen, so wie das Salzwasser des Atlantics die Muscheln und Steine schleift, und ich habe euch jeden Tag auf dem Laufenden gehalten. Ich musste mich dazu kein einziges Mal zwingen, die Worte und Sätze sind geflossen wie Quellwasser. Oft bestimmt nicht so klar und rein (der Qualm, der Whiskey, der Wein), aber immer mit Leib und Seele. In Hannover lese ich immer am nächsten Tag noch einmal gegen, damit nicht zu viel Schund in die weite Welt geschickt wird, darauf habe ich hier verzichtet. Einmal direkt nach dem Schreiben gegengelesen und ab dafür. Es hat mir viel Freude gebracht, das alles zu tippen. Wenn es gut läuft, kommt morgen der letzte Artikel von Cape Cod, Samstagmorgen gehts nach Boston, den Leihwagen wegbringen, dann zum Flughafen, um 17 Uhr starten wir. Es geht bis Manchaster, wo wir über sechs Stunden Aufenthalt haben werden, dann weiter nach Hannover. Sonntagabend sind wir dann nach über 24 Stunden zu Hause. Hier in den USA habe ich eine Woche gebraucht, um mit der Zeitverschiebung richtig klarzukommen, zurück in Deutschland soll es noch schwerer sein. So schnell wie möglich werde ich die Korrekturen im Roman übertragen, darauf setze ich mich an „Im Wahn der Zeichen“. Der Bewerbungsfilm mit Jean Coppong für Udos Rockliner soll in Hamburg gedreht werden, ein paar Hilfestellungen bei Renovierungsarbeiten von Freunden stehen an. Und dann ist ja (ob ihr es hören wollt oder nicht) bald Weihnachten. Damit ende ich heute. Bis wahrscheinlich morgen   !

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