Ja, es hat mich hart erwischt. Es war Liebe auf den ersten Blick, und auf den zweiten und dritten und hundertsten kam es noch viel doller. Ich bin heut den ganzen Tag in einem melancholischen Zustand, was bestimmt auch unter anderem damit zusammenhängt, dass es in drei Tagen nach Hause geht. Gerne würde ich mich hier tief im Sand einbuddeln und erst wieder rauskommen, wenn der Flieger gestartet ist, meine Frau und meinen Sohn würde ich mit einbuddeln, wir würden es noch weitere drei Wochen hier genießen können. Meine Schwiegermutter freut sich auf zu Hause, sie sagt, ihr hätten drei Wochen gereicht. Mir nicht! Ich bin verzaubert – der Zauberer ist verzaubert. In meinen manischen Phasen, als ich glaubte, nichts könne größer sein als die Magie, in meinen euphorischsten Minuten, als ich glaubte, Wind zu sein, als ich mir sicher war, ich sei der Mittelpunkt der Welt, war ich glücklicher denn je. Ich ging in die Psychiatrie, klar, ich wurde vollgepumpt, die Realität holte mich bald ein – doch die Sehnsucht nach diesen klaren Glücksmomenten blieb lange bestehen. Heute möchte ich nicht mehr richtig manisch sein und den Boden unter den Füßen verlieren, ich war im Himmel und in der Hölle, es ging nicht höher, es ging nicht tiefer. Mir reichen die „kleinen“ Kicks, die kurzen euphorischen Augenblicke, die Minuten. Sie näheren mich mit Kraft, mit Lebensfreude, mit Zuversicht und Hoffnung. Mein Glaube gibt mir unglaublich viel Energie für meinen Weg. Mein Weg MUSS mich für mehrere Wochen zu meiner neu gewonnenen Liebe zurückführen. Ich MUSS sie wiedersehen! Sie riechen, sie fühlen, sie erfassen, sie leben, ausleben. Sie ist mehr männlich als weiblich, würde ich sagen. Und doch ist es eine Sie. Ihr wisst, wen ich meine, nicht wahr. Sie ist ein einiziges absolut lebensbejahendes, liebenswertes, freundliches Kunstwerk. Kunst hört sich so dunkel durch das U an. Aber in Provincetown ist es ganz, ganz hell, die dort lebenden Seelen leuchten zum Teil wie Sterne. Man kann sagen, dort lebt die Freiheit Amerikas. Jaja, ich hatte nur einen Tag, um einen Eindruck zu gewinnen, aber dieser eine Eindruck hat mich mehr geflasht, als alle anderen Städte, die ich bisher kennen gelernt habe. Nicht zu vergleichen mit Berlin oder Hamburg, keine Frage, dieser Vergleich wäre völlig meschugge. Kann man Städte überhaupt vergleichen? Ja, vielleicht manchmal. Aber jede Stadt hat ihren eigenen Stil, zumindest haben einige Bezirke oder Viertel Stil. Stilloses gibt es auch zuhauf in Städten. Wir haben ja auch nur die Sahne auf der Torte gesehen, die Commercial Street, und das auch nur bei Tage. Ich glaube, keine Straße auf der Welt kann mehr Erotik und Sex verkörpern als diese. Keinen dreckigen Sex, falls es den gibt, sondern göttlichen Sex. Frei in allen Bezügen. Ja, wir sind auch an einer Suppenküche für Obdachlose vorbeigekommen, haben verwirrte Leute gesehen, die auf Droge hängengeblieben sind, sehr arme Menschen, aber dann lieber in einer solchen Stadt direkt am Atlantic verrückt und arm, als zum Beispiel im grauen Duisburg oder so was. Keine Vergleiche bitte. Auf jeden Fall fliege ich noch einmal hin, auch wenn ich noch ein paar Jahre warten muss. Um eine Liebe muss man manchmal kämpfen, sie kommt meistens nicht von allein, wie dieses eine Mal, wie gestern, ganz plötzlich. Ehrlich, ich hatte das noch nie mit einer Stadt. Ich war in Florenz, in Siena, in Danzig, auch in etlichen deutschen Städten, aber so etwas wie eine tiefe Liebe war nicht dabei. So wundervoll die Toscana auch ist, so wundervoll Siena ist … Vergleiche zwecklos, gib es auf, Taube! Provincetown war für mich eine schiere Welle des Glücks. Gerne hätte ich mich in ein Restaurant gesetzt und zu Mittag Fisch gegessen, noch mehr die Menschen beobachtet, noch mehr Leben eingesaugt … Egal jetzt, Samstag geht es zurück ins kalte, nasse, trübe, dunkle Hannover! Hier sitzen wir noch nachts um elf in T-Shirt auf der Terrasse und hören das Meer rauschen und die Grillen zirpen. Was ist besser? Schade, dass ich in meinem Leben so wenig gereist bin. Meine Freunde waren in so vielen Ländern, haben so viel gelesen, ich hatte mit meinen Psychose zu tun. Kein Selbstmitleid bitte! Nee, habe ich auch nicht. Aber Hannover ist doch wirklich nicht der Hit. Ich weiß gar nicht, warum die Scorpions und Heinz Rudolf Kunze und 500.000 andere Menschen dort leben. Hamburg würde mich viel mehr reizen, dann natürlich auch in der richtigen Gegend. Und was braucht man? Meine Mutter sagte vor gar nicht so langer Zeit zu mir, ich sei auch nie zufrieden. Meine Frau sagt das auch ab und zu. Doch, ich bin ganz, ganz oft zufrieden, aber nur für eine gewisse Zeit, dann muss es weitergehen, dann sind neue Ziele zu erreichen. Und was habe ich bis jetzt überhaupt alleine erreicht? Fuck. Glück, ich hatte nichts als Glück. Eine Krankheit, eine Rente, ein Erbe. Ich meine, was hab ich selbst für diesen materiellen Reichtum getan? Nichts als Glück gehabt. Danke. Ich kann mir nichts auf meine Fahne schreiben. Meine Frau geht hart für meine Familie arbeiten. Danke. Ich habe auch hart gearbeitet, arbeite immer noch hart, schufte so gut wie jeden Tag an meinen Romanen und Gedichten und Stories wie ein Irrer. Egal wie schlecht der Scheiß ist, Arbeit macht er allemal. Es ist eine schöne Arbeit, das will ich nicht abstreiten, die schönste Arbeit der Welt für mich, aber mancher Frisör empfindet seine Arbeit ja auch als die totale Erfüllung. Ich war mal bei einer Frisörin zum Haareschneiden, die sagte, wenn ein Kunde zufrieden sei, und sie auch, sei es für sie besser als ein Orgasmus. Dabei strahlte sie mich an und streichelte mir über mein Haar. Das meinte sie ganz ernst. Wenn ich erotische Szenen schreibe, oder mir etwas anderes wirklich gut gelingt, bin ich auch absolut befriedigt. Bin ich gut vorangekommen, brauche ich nichts anderes, bis auf eine Zigarre und ein Glas Whiskey vielleicht. So, jetzt reicht es mal wieder. Ich habe euch an meinem schönen Leben teilhaben lassen, habe geplaudert und war sehr offen. Bis denne, euer Weltschriftsteller !