Viertel vor zehn

Samstagabend.

Schade, bin zu kaputt, um am Roman zu schuften. Es ist schön sagen zu können, Schreiben sei Arbeit. Ist es. Aber bei mir muss man sich das nicht so vorstellen, dass ich eine Kippe nach der anderen rauchend, das Whiskyglas neben der alten Schreibmaschine stehend, zerzaustes Haar, am Schreibtisch sitze und über den Sätzen brüte. Die Zigarette fehlt nämlich. Leider. Ich glaube, Paul Auster, einer meiner Lieblingsschriftsteller, raucht noch. Man kann ihn sich kaum ohne Zigarillo vorstellen. Bei ihm hieß es: Keine Zeile ohne Zigarette oder Zigarillo. Irgendwie gehört doch die Zigarette zum Schriftsteller dazu. Henry Miller hat bis ins hohe Alter geraucht, Bukowski, bis die Sargnägel versenkt waren. Ich habe gelesen, dass Udo mal mit Bukowky telefoniert hat, er wollte sich mit ihm treffen. Hat nicht geklappt, sie hätten sonst bestimmt 100 Zigaretten in ein paar Stunden niedergemacht, klar, und einige Fläschchen. Schade. Udo hätte sicher was zu erzählen gehabt. Hat Kafka eigentlich geraucht? Ich muss ihn unbedingt lesen. James Joyce, Ulysses, habe ich aufgegeben – das Werk raffe ich nicht, da bin ich zu kleingeistig für. Da muss man schon geübter Leser sein. Ich lese viel, aber wie ihr wisst, gern leichte Kost. Ist Kafka leicht? Nein, bestimmt nicht. Hesse finde ich nicht so schwer zu lesen. Magisch auf jeden Fall. Rocko Schamoni lese ich jetzt – wundervoll. Warum habe ich bis jetzt noch nichts von ihm gelesen? „Dorfpunks“ war in aller Munde. Ben Becker hat neulich seinen Fernseher aus dem Schlafzimmer aus dem Fenster geschmissen – sehr gut. Herrlich. Ich kann das gut nachvollziehen. Die größte Verarsche der Menschheit. Nicht alle Sendungen und Filme, sehr gute sind dabei. Aber ehrlich, das meiste kann man sich sparen. Ich höre gern Radio, aber keine Moderatoren, die schon morgens versuchen witzig zu sein und nur Dünnschiss labern. Finden die sich eigentlich selbst witzig oder machen die uns nur was vor? Wie können die ihre eigene Laberei ertragen? Die nehmen bestimmt starke Medikamente gegen sich selbst. Es gibt auch ganz schlechte Komiker. Finde ich jedenfalls. Schrecklich. Aber auch in der Branche sind natürlich Koriphäen zu Hause. Wird das so geschrieben? Koriphäen? Ich glaube schon. Bin zu faul, jetzt nachzuschauen. Kommt da ein Komma hin, vor jetzt? Glaube schon. Deutsche Sprache schwere Sprache. Es gibt kaum jemanden, den ich kenne, der korrekt spricht. Ich auch nicht. Aber meistens fällt es mir sofort auf – aber zack – dann ist es schon zu spät. Ausgesprochen ist ausgesprochen ist ausgesprochen. Ha! Erinnert mich an Gertrude Stein. Selbst in vielen Filmen – ich habs gerade bei einem Krimi im Zweiten erlebt – wird falsch gesprochen. Ich finde, für einen Hauptschüler spreche ich okay. Ich bemühe mich und lege Wert auf Sprache. Sollte man tun als Schriftsteller. Warum sprechen denn so viele Deutsche ihre Muttersprache falsch? Aus Bequemlichkeit? Weil sie es nicht raffen? Es wird kaum Wert auf den richtigen Ausdruck gelegt. Verbessert wird man nie. Man will ja nicht verletzen. Das kann man nur bei sehr guten Freunden bringen. In Deutsch hatte ich meistens eine Vier. In Rechtschreibung eine Zwei. Werden hier „Vier“ und „Zwei“ groß geschrieben? Glaube ja. Kommt vor das ja ein Komma? Nein, muss nicht sein. Da könnt ihr jetzt mal sehen, wie es mir als Schriftsteller geht. Ich will ein Manuskript ohne Fehler abgeben. Gelingt natürlich nicht. Ich überlese ständig Fehler. Viele Flüchtigkeitsfehler. Hier am PC ist das ja nicht das Problem, Korrektur leicht gemacht. An der Schreibmaschine sieht es schon anders aus. Aber ehrlich: Wenn ich so schreiben würde, wie viele, die ich kenne, würde ich es lieber nicht vorzeigen. Ich spiele ja auch keinem was auf meiner Gitarre vor, nur weil ich ein paar Griffe kann. Ach, jetzt halt mal deine Fresse, Alter! Wenn man eine gute Idee für ein Buch hat, sollte man es schreiben – klaro. Es gibt ja Lektoren. Wenn ich an meine ersten Schreibversuche denke (ich rede hier nicht von der ersten Klasse), dann würde ich am liebsten im Boden versinken. Zum Glück sind viele Manuskripte weg. Aber einiges hat überlebt – ich fasse es am liebsten gar nicht an. Soll mal schön in der Kiste bleiben. Na ja, zum Überarbeiten eignet sich was davon. Schreibtechnisch habe ich in den nächsten Jahren genug zu tun. Zum Glück. An Ideen mangelt’s nicht. Was laber ich hier eigentlich so wichtig rum! Ist doch zum Kotzen mit mir! Aber mit dir auch. Ich meine dich, du Typ, der gerade im Radio singt. Nicht auszuhalten. Und der verdient auf jeden Fall viel, viel Geld. Der muss das ja anscheinend gut finden, sonst würde er das Lied ja nicht singen. Und ich wette, der hat’s nicht einmal selbst geschrieben. Ist das Künstlerleben wirklich so hart, wie alle immer sagen? Henry Miller hat in der Gosse gelebt in Paris. Bukowski hat auch einige Nächte auf der Straße verbracht. Ich war schon immer reich. Porsche und so. Ein Manko? Die paar Tage oder Wochen, in denen ich in Berlin nichts zu essen hatte, sind harmlos. Cornflakes trocken und so n Scheiß – klar, hat aber doch jeder Künstler mal durchgemacht. Sollte er jedenfalls. Ich hab mal mit der Sekretärin von Westernhagens Manager gesprochen, 98. Ich sagte, hey, mein Kühlschrank sei leer, Marius müsse unbedingt meine Texte singen. „Da müssen Sie durch, wenn Sie Künstler werden wollen“, sagte sie. Hatte sie recht. Sie hatte etwas sehr wichtiges gesagt: „Wenn Sie Künstler werden wollen!“ Hey, genau, sagte ich mir, ich will Künstler werden! Sie war nett gewesen. Sie hatte auch mit Marius gesprochen über mich, aber Marius meinte, er mache seine eigenes Ding. Mann, war ich wütend. Das konnte ich damals überhaupt nicht verstehen. Sein eigenes Ding. Tss. Der wollte meine Texte nicht. Unverschämt! Dafür hab ich dann ein bisschen bei seinem Anwalt in Hamburg vor der Tür rumgebrüllt. Jaja, die Psychosen, meine alten Weggefährten. Zum Glück fühle ich mich derzeit stabil, auch wenn vieles größenwahnsinnig rüberkommt. Soll es auch. Bringt mir total Laune. Immer klein sein, immer bescheiden – Fuck! So, jetzt habe ich euch genaug vollgetextet an einem Sonntag wie diesen. Ich wünsche euch einen wunderschönen Tag. Macht was draus. Lasst die Glotze aus. Es soll schön werden.

Bis bald   !

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