Sehnsucht nach Freiheit

Wieder einmal die innere Ruhe nicht gefunden. Und abends zu kaputt, um noch gute Sätze hinzukriegen. Mir fehlt die innere Freiheit. Sie hier zu erlangen, ist gar nicht so einfach. Oder es ist wirklich das Alter. Warum fällt es mir so schwer, kontinuierlich am Roman zu arbeiten? Dranzubleiben an der Geschichte? Ich lenke mich selbst ab. Um beinahe jeden Satz muss ich ringen. Meine Fantasie ist total blockiert. Und doch ist es wie ein Zwang weitermachen zu müssen. Immer weiter. Ich weiß nicht, was oder wer mich treibt. Mein Ich? „Ich“ möchte es unbedingt? Muss ja wohl so sein. Ich will! Komme ich nicht zum Schreiben, bin ich genervt und angespannt. Die Zündschnur ist dann kurz. Komme ich nicht zum Schreiben, bin ich von mir selbst enttäuscht. Ich mach mich selbst unzufrieden. Sogar traurig. Bis hin zur Hoffnungslosigkeit. Da sich jeder selbst Hoffnung machen sollte, bleibt mir keine andere Wahl. Um eines Tages unabhängig oder gar frei zu sein, bleibt mir nur der Durchbruch. Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht. Eine andere Chance ist mir nicht bekannt. Freiheit bedeutet für mich, schreiben zu können, wann und wo immer ich will. Einige Autoren haben dieses große Glück. Benjamin von Stuckrad-Barre zum Beispiel fliegt dahin, wo es warm ist, um an seinem neuesten Werk zu arbeiten. Er hat einen Sohn, der ungefähr im Alter meines Sohnes ist. Benjamin nimmt sich eine Auszeit von acht Wochen. Er nutzt seine innere Ruhe, um kreativ zu sein. Leider habe ich nicht diese Möglichkeit. Hätte ich sie, wäre ich produktiv. Schnell würde ich ein Buch zustande bekommen. Nur für das eine Projekt, genau für das eine Buch würde ich acht Wochen verreisen. Heute wollte ich in einer Kneipe schreiben, in der man rauchen kann. Das ist wichtig für mich. Die Kneipe hatte geschlossen. Klar, es gibt noch andere Kneipen. Doch dafür hätte ich nach Hannover fahren müssen. Es sieht auch nicht danach aus, als habe die Kneipe in der nächsten Kleinstadt morgen wieder offen. Sie sah ziemlich düster beleuchtet aus. Ich war enttäuscht. Ich habe es als echten Reinfall erlebt. Es kam anders als ich gedacht hatte. Und jetzt, heute Abend um 21 Uhr, bin ich nicht mehr konzentriert genug. Gerademal reicht es für diesen Blogbeitrag. Der Roman lastet schwer auf meinen Schultern. Er beinhaltet kein einfaches Thema. Er behandelt ein Thema, bei dem höchste Präzession gefragt ist. Ich muss genau aufpassen, wie ich die Sätze formuliere, damit sich keiner vor den Kopf gestoßen fühlt. Jedenfalls nicht die, die ich auf keinen Fall beleidigen will. In BLOCK geht es um Homosexualität, um Ausländerfeindlichkeit, um Faschos, um Kriminalität, um Hass und um Liebe. Dies alles will zu einem Großen Ganzen zusammengefügt werden. Ich habe keine Schreibblockade. Aber ich habe wie gesagt eine Fantasieblockierung. Weil es mir nicht gelingen kann, Tag und Nacht in der Geschichte zu sein. Ich bin eine Stunde drin und 23 Stunden draußen. Das ist definitiv zu wenig. Ich muss mitfühlen, mitleiden, mitlieben, mithassen, mitspielen. Mitten drin sein im Geschehen. Ich bin sowas von genervt. Wütend. Traurig. Neidisch auf Autoren, die einfach schreiben schreiben schreiben können. Zuhause muss alles funktionieren. Der Job muss funktionieren. Verpflichtungen sind zu erfüllen. Natürlich möchte ich für meine Frau da sein. Natürlich möchte ich für meinen Sohn von ganzem Herzen da sein. Mit Leib und Seele. Ganz und gar. Es würde ja schon reichen, wenn ich die Freiheit besäße, fünf Stunden am Tag im Hotelzimmer zu sitzen, um zu arbeiten. Am besten man ließe für diese Zeit das Handy zu Hause. Arbeitszeit wäre Arbeitszeit. Hier ist immer die Ablenkung im Haus. Ich weiß, ich kann froh darüber sein, dass ich überhaupt so unglaublich viel Zeit habe. Ich weiß, ich kann froh darüber sein, dass ich ein eigenes Arbeitszimmer habe. Ich weiß, ich jammere auf höchstem Niveau. Aber wieviel Zeit bleibt mir noch? Das Schreiben fällt mir anscheinend immer schwerer.

Bis die Tage

Henning

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