Leben

Ich kann nur das schreiben, was ich gerade fühle. Wollte ich über die Liebe schreiben ohne zu lieben, wäre es ein Witz. Ein schlechter Scherz. Was fühle ich also in diesem Augenblick? Auf jeden Fall Wärme. In meinem Zimmer ist es angenehm warm. Und was fühle ich in mir? Auch Wärme. Keine Kälte. Ich fühle keinen Hass. Keinen Schmerz. Was fühle ich genau? Vielleicht braucht man ein Gegenüber, um seine Gefühle genau bestimmen zu können. Ja, wahrscheinlich. Ich fühle mich nicht einsam. Ich fühle mich nicht allein, nicht im Stich gelassen. Ich fühle mich wohl in meinem kleinen Zimmer. Ich fühle mich geborgen. Sicher. In meinem Kopf ist es etwas schwammig, da ich schon das zweite Glas Wein trinke. Übel ist mir nicht. Ich fühle mich auch nicht unter Druck gesetzt heute Abend. Bin ich frei? In meinen Gedanken könnte ich es sein. Doch bin ich momentan nicht so frei, dass ich mich ins Auto setzen und nach Hannover fahren könnte – wegen des Weines. Allerdings könnte ich jetzt Musik hören. Nur nicht ganz so laut, sonst würden meine Frau und mein Sohn aufwachen. Ich streichele mir über den vollen Bart. Ich höre dem Wind da draußen zu. Ich warte auf die nächsten Sätze. Manchmal kommen sie wie von allein. Manchmal bemerke ich mein Denken. Gleich werde ich zu Bett gehen – es ist fünf Minuten nach elf. Um Viertel vor sechs klingelt der Wecker, wie beinahe jeden Tag. Ich werde noch zwei, drei Seiten lesen und dann bei einem Podcast einschlafen. Werde darauf hoffen, dass ich etwas Interessantes träume. Meine Träume müssen nicht unbedingt schön sein. Doch hoffe ich jeden Abend darauf, dass sie mir etwas Wesentliches klarmachen. Mir ist warm. Sehr warm. Ich öffne das Fenster. Lasse frische Luft herein. Streichele mir über mein Haar. Atme. Meine Finger verharren immer wieder über den weißen Buchstaben auf den schwarzen Tasten. Und schon ist wieder ein Satz zu Ende geschrieben. Erwartet ihr etwas von mir? Erwarte ich etwas von mir? Ich höre dem Wind noch immer zu. Hat er mir etwas zu sagen? Erwarte ich etwas von euch? Was könnte ich denn erwarten? Mir fällt nichts ein. Und was kann ich vom Leben erwarten? Nur das Leben selbst.

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