Langeweile

Heute habe ich mich zum ersten Mal nach langer langer Zeit gelangweilt. Langweile muss man aushalten können. Ich konnte mich zu nichts aufraffen. Ein Stück konnte ich das Nichtstun genießen. Würde ich in Hannover wohnen, wäre ich sicherlich in eine Kneipe gegangen, um ein Gespräch zu suchen. Es fällt mir nicht sehr schwer Menschen kennenzulernen, mich auszutauschen und zu amüsieren. Doch anstatt mich ins Auto zu setzen, habe ich mir eine gute kubanische Zigarre und ein Glas Wein gegönnt. Gerade sitze ich auf meiner Terrasse, rauche eine IQOS und warte auf Worte. Der Himmel strahlt blau; die Vögel singen ihre Lieder. Hinter mir verschwindet langsam die Sonne hinter den Häusern. Bis auf das Gezwitschere ist hier nichts zu hören. Eine wundervolle Ruhe auf dem Land. Es duftet nach Frühling. Einige Schwalben tanzen am Himmel. Ich werde mir nun ein Gläschen Wein einschenken und auf Cupis Anruf warten. Es scheint, als wehe kein Lüftchen. Ich hätte große Lust spazieren zu gehen. Jedoch nicht allein. Ich warte und warte. Mein Kopf ist ziemlich leer. Ich denke nach und schreibe nicht das, was ich gerne schreiben würde. Es wäre viel zu persönlich. Manchmal würde ich gern in der Stadt leben. Oder nahe an der Stadt. Am Stadtrand. So könnte ich mich aufs Fahrrad setzen und nach Linden fahren. Oder mich an den Maschsee setzen. Zu gerne beobachte ich Leute. Ich schaue sie an un denke über sie nach. Schnappe den einen oder anderen Dialog auf und komme zu dem Schluss, dass meistens nicht viel Tiefe durch die Gespräche fließt. Wozu auch. Es fliegen immer mehr Schwalben da oben. Und plötzlich sind sie wieder hinter den Dächern verschwunden. Manchmal weiß man mit sich nichts anzufangen. Es gibt Zeiten, in denen man zu nichts Lust hat. Selbst fernzusehn ist dann zu öde. Was für ein Luxus. Manch einer säuft aus Langeweile. Der andere kifft. Ein weiterer schreibt. Der Nächste liest. Oder raucht dreißig Zigaretten. Mich würde es überhaupt nicht befriedigen fernzusehn. Ich habe auch keine Lust dazu mir schwere Gedanken zu machen. Ich liebe das leichte Leben. Zeit zu haben ist ein wahres Geschenk. Gut ist es natürlich, wenn du mit deiner Zeit etwas anzufangen weißt. Vielleicht sogar etwas Leichtes. Etwas Sinnvolles womöglich. Gespräche machen den Sinn voll. Gespräche mit Menschen, die du magst. Es können leichte Themen sein. Oder schwere Themen leicht verpackt. Wäre ich nicht so faul, würde ich jetzt Rad fahren. Oder tatsächlich in Linden in eine Kneipe gehen. Könnte ich alles tun. Doch lieber genieße ich den Abend bei einem Glas Wein. Ich bin nicht frei. Die Vögel scheinen Spaß zu haben. Sie vögeln hier und da und überall. Mit Leichtigkeit heben sie ab. Schwingen ihre Flügel, singen, lassen sich treiben. Wir Menschen stecken voller Moral. Wir Menschen stecken fest in unseren Verpflichtungen. In unseren Zwängen. In unserem Gewissen. Wir genieren und schämen uns. Würden wir einfacher und freier denken, wäre das Leben nur halb so schwer. Wir können nicht aus unserer Haut. Was sollen die anderen denken. Und schon ist eine Stunde herum. Eine weitere. Es ist 21.00 Uhr. In einer Stunde spätestens lösen die Fledermäuse die Schwalben ab. Inzwischen ist es ziemlich kühl geworden.

Gute Nacht ihr Nachtschwärmer.

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