Juchu – der Winter ist da!

Die Schneeflocken hier oben am Deister legen sich zart und weich wie ein Teppich auf den Rasen. Mein Sohn feiert mit seiner kleinen Freundin ein riesiges Fest. Winter! Der Winter ist da! Sie formen kleine Bälle in ihren roten Händchen, probieren den Schnee, saugen daran, bewerfen sich. Für einen Schneemann ist der Schnee noch zu weich. Ach, was für ein Fest! Morgen fahre ich hoch in den Deister, im Schlepptau einen Schlitten. Die roten Wängchen, die weißen Zähnchen, die kalten Fingerchen, die nassen Füße – das alles ein Gedicht. Volle Fahrt voraus!

Sie tanzen, die Flocken. Ein Bild von den Göttern. Ich verfolge ein Flöckchen mit meinem Blick. Es tanz nach unten, zu allen Seiten, nach oben, um sich dann auf die Erde zu seinen Freunden zu legen. Vereint. Ein Zauber der wundervollen Natur. So hell. So weiß. So sanft, wenn es landet. Lautlos. Der Schnee ist ja so still. Stumm. Und hier drinnen wieder Chopin. Passend zu den Flöckchen. Passend zu meiner Stimmung. Die Luft ist klar. Ach, wären doch alle Seelen so weiß und rein wie der Schnee im Himmel. Bevor er sich auf die Erde legt und angetaut wird. Die Zartheit der Klänge, die Sanftheit des Pianos, das Mitfühlen des Pianisten. Die tiefen Töne sind mir oft zu dramatisch, zu düster für meine Seele. Lieber die Helligkeit. Lieber das Erheiternde. Der Tanz. Die Zärtlichkeit in all ihren Facetten. Die Fröhlichkeit, die das Leben mit sich bringen kann. Das gesunde Lachen. Lach wenigsten einmal am Tag. Lebe den Tag vom Morgen bis zum Abend, morgen beginnt ein neuer und alles ist ganz anders. Die Gedanken. Das Tun. Die Zuversicht. Oder auch das Leid. Spür in dich hinein. Erfühle den Augenblick. Geht es dir wirklich so schlecht – jetzt – in dieser Minute? Hast du Schmerzen? Oder geht es gerade? Wenn es gerade geht, halt dich etwas fest. Wie gut geht es mir hier in meinem kleinen Zimmer. Voller Wärme. Mit vollem Magen. Mit einem schwarzen Kaffee. Die Unordnung ist meine Unordnung. Der Staub auf den Regalen gehört mir. Die Gerüche der alten Schreibmaschinen erfüllen den Raum. Ein Glas Wein – ach nein, ich freue mich auf den Abend. Es ist drei Uhr am Nachmittag. Zu früh, um den Geist in andere Gefilde zu frohlocken. Heute Abend ein Gespräch mit einem guten Freund – bei einem Gläschen, bei einer Zigarette oder eine Zigarre. Man wird sehen. Was das Herz begehrt. Was das Hirn braucht. Es wird es dir schon sagen. Es schneit nun ganz leicht. Gegenüber dampft der Schornstein, der Qualm weist die Farbe des Himmels auf. Ein kaltes Grau. Ein graues Weiß. Und darüber die Sterne, die du gerade nicht sehen kannst. Auch nicht die Kraft der Sonne. Doch ohne sie wäre alles tiefschwarz. Niemals Licht, keine Pflanze, keine Blume, kein Baum und kein Strauch. Eine Art der Hölle. Eine der vier Arten, die ich erleben durfte. Oder sollte. Oder musste. Sie lassen mich glauben. Aber ach, auch den hellen leuchtenden Eingang des Paradieses durfte ich erblicken. Hinauf gefahren im Fahrstuhl. Egal, ob psychotisch – Himmel und Hölle gab es in der Halluzination. Waren real. Wie auch die Stimmen, die mich beleidigt, beschimpft und ausgelacht haben. Aus allen Wänden und Ecken drangen sie in mich hinein. Höllenhunde, die mich durch meine Wohnung jagten, nach mir schlugen und traten. Ich, als Zeichentrickfilmfigur. Und dann die Erstarrung – wie fürchterlich. Die unsagbare Hitze. Das Feuer. Die Glut. Die unendliche Röte. Tiefer ging nicht. Schmerzvoller ging nicht. Aber auch nicht glücklicher und freier, ich als Schmetterling.

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