Ganz still

Ha! Ich sitze unter unserem Carport und ziehe mir abends um halb neun das Vogelkonzert rein. Neben meinem Laptop flackert die Kerze im Glas, rechts neben dem Laptop steht das Glas Weißwein. Ein wundervoller Abend bahnt sich seinen Weg. Friedlich. Warm. Erheiternd. Die Vögel werden plötzlich stiller, der Himmel schon in einem ganz dunklen Blau. Nun heißt es, auf Worte zu warten. Abzuwarten, welche Sätze meinen Kopf voll machen. Und gleich wieder leer, nachdem ich sie aufgeschrieben habe. Ja, ich schreibe des Schreibens wegen. Ich schreibe, weil das Schreiben eine fantastische Therapieform noch immer für mich darstellt. Und das nun schon seit meinem zwanzigstens Lebensjahr, also seit 33 Jahren. Ich liebe es draußen in der Stille zu sitzen, eine Zigarette zu rauchen, vom Wein zu nippen und mich meinen Gedanken hinzugeben. Das Ganze kann ich mir selbstverständlich auch sehr gut in der Toskana vorstellen. Oder irgendwo in Spanien am Meer. Doch nach wie vor zeigt kein einziger Verlag Interesse an meinen Schriften. Vielleicht gelingt es mir ja in nächster Zeit (gerade hier draußen) an BLOCK weiterzuarbeiten. Jetzt hört man nur noch ganz vereinzelt das eine oder andere Vögelchen. Von der B217 ist kein einziges Auto an diesem schönen Abend wahrnehmbar. Was für ein riesengroßes Glück wir doch mit dieser Baulücke hatten! Ach, es tut so gut, eine Zigarette zu rauchen, den Kick in der Lunge zu spüren, die kühle Luft auf meinen Unterarmen zu bemerken. Mich sehnt es danach, wieder in den Zustand des Schriftstellers zu gelangen. Ganz und gar eins zu sein mit meinem Text. Und dabei spielt es keine Rolle, ob ich einen Blogbeitrag schreibe, eine Kurzgeschichte, ein Drehbuch, ein Gedicht, einen Songtext oder einen Roman. Hauptsache ich bin während des Schreibens ganz im Hier und Jetzt. Ganz in den verfassten Worten. Ich spüre das Lächeln auf meinen Lippen. Streichele mir den Bart. Meine Lippen sprechen die Worte während ich sie aufschreibe. Meine Gedanken scheinen etwas verlangsamt. Aber so ist es okay. Ich fühle mich sicher. Ich fühle mich psychisch stabil. (Cupi hat schon zweimal angerufen. Ich lege eine kleine Telefonpause ein.)

21 Uhr 30

Ganz still. Es ist kühl geworden. Die Nacht ist hereingebrochen. Der Himmel nun schwarz. Ich liebe das Leben. Ich genieße den Frieden. Den Frieden in meiner kleinen Welt. Und doch verliere ich den Blick nicht auf die Welt um mich herum. Am Himmel von hier aus ein flackernder Stern zu sehen. Dankbarkeit. Demut. Wir fühlen uns so groß und sind doch ganz klein. Propheten werden heute kaum mehr gehört. Sie landen in der Klapse. Schreit ein Prophet auf irgendeinem Marktplatz die Wahrheit heraus, wird er nicht ernst genommen, wird er verspottet, wird er eingesperrt, werden seine Gedanken ruhiggestellt. Er soll mitschwimmen. Funkionieren im Sytem. Ja, auch ich habe das Gefühl zu funktionieren. Freizusein ist schwer. Fühlst du dich frei? Und wieder fühle ich das leichte Lächeln. Wie unglaublich ruhig es hier ist. Ich könnte die ganze Nacht hier sitzen und auf Worte und Sätze warten, sie auffangen, sie aufschreiben. Sätze, die wahrscheinlich nur mich interessieren. Ich mache für heute Schluss. Wünsche euch einen schönen Wochenstart.

Alles Liebe

Henning

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