Ein Besuch in Dänemark

Ich sehe ein, dass ich keine Hilfe zu erwarten habe. Weder von Menschen, die Einfluss haben, noch von irgendwelchen Buchverlagen. Ehrlich gesagt ist mir die Energie abhanden gekommen. Ich finde es schade, dass ich niemals passende Kontakte aufbauen konnte. Ich bin schlicht gesagt zu krank gewesen. Zu verrückt. Zu durchgeknallt. Niemand wollte es mit mir riskieren. Niemand wollte sich verantwortlich fühlen. Es tut ein wenig weh. Bestimmt werde ich bei Gelegenheit noch einmal ins Hotel Atlantic gehen und versuchen, Udo ein Buch zu hinterlegen. Doch auch er wird sich darauf nicht melden. Ebenso Westernhagen. Sie kochen ihre eigene Suppe. Bei Grönemeyer macht es auch keinen Sinn. Und von Kunze habe ich ebenfalls nichts zu erwarten. Mir bleibt noch Xavier. Vielleicht ist er der Einzige unter den Künstlern, der tatsächlich an denselben Gott glaubt wie ich. Ja, ich werde ihm schreiben. Und mir ist es egal, was ihr darüber denkt.

Ich habe mir am Sonntag das Westernhagen-Konzert angesehen und angehört. Es ist wundervoll gewesen. Marius ist ein alter Mann geworden. Ein alter Mensch. In meinen Augen ein alter ehrlicher Mensch. Er hat sich selbst auf die Schippe genommen. Er war ironisch, witzig, glücklich, und er hat sich unglaubliche Mühe gegeben. Vielen Dank für diesen einmaligen Abend!

Ich habe keine Ahnung, ob ich 75 Jahre alt werde. Meine Mutter ist einundachtzig. Mein Vater ist mit 56 Jahren gestorben. Dann hätte ich noch ein Jahr zu leben.

Ich bin etwas melancholisch gerade. Aber es geht mir gut. Ich sitze auf meiner Terrasse, trinke ein Gläschen Rum und rauche eine.

Und jetzt – jetzt bin ich schon in Dänemark – und sitze bei Karlo auf der Terrasse. Allein. Es ist 10 Uhr 20 am Abend. Mir bleibt nicht viel zu sagen. Was soll ich auch sagen? Karlo und ich sind seit 1987 befreundet. Sicherlich gab es Höhen und Tiefen. Höhen und Tiefen machen eine gute Freundschaft aus. Höhen und Tiefen müssen eine gute Freundschaft aushalten. Mit Karlo gemeinsam habe ich den Mauerfall erlebt. Wir hingen im Imbiss am Moritzplatz ab und haben zugeschaut, wie immer mehr Trabbis nach Kreuzberg reingeknattert kamen. Gerade in diesem Augenblick kommt die Erinnerung an jenen Abend zurück. Jahrzehntelang konnte ich mich gar nicht erinnern. Viel zu sehr war ich mit mir selbst beschäftigt – damals – im November 1989. Wir haben viel zusammen erlebt. Ich erinnere mich daran, wie Karlo sagte: „Eines Tages werde ich mit meiner Frau in einem geilen Haus sitzen, einen frisch gepressten Orangensaft trinken und einen weißen Flügel haben …“ Lediglich der weiße Flügel fehlt noch. Träume haben Kraft. Vor allem Tagträume. Karlo war immer der schlauste Kopf von uns vieren. Sehr hell, sehr klar, sehr schnell, sehr schlagfertig. Er war Derjenige, der die Castaneda-Bücher verschlungen und an uns bildlich weitergetragen hat. Eine Menge habe ich von ihm und durch ihn gelernt. Früher habe ich ihn beneidet. Beneidet, weil er so ein fantastischer Musiker war. Er hat alle an die Wand gespielt. Er versteht die Magie. Ja, wir waren ein magischer Kreis. Es war eine verrückte Zeit. Leider ist einer von uns verschwunden. Spurlos. Aber auch zu dritt ist es jedes Mal ein Abenteuer. Bald treffen wir uns in Berlin. Nicht immer sind spirituelle Gespräche nötig. Nicht immer fährt die Magie in den Kreis ein. Nicht immer haben wir das magische Bewusstsein. Doch immer und immer gibt es magische Nuancen, magische Momente, die beflügeln.

Die Bäume dort hinten sind schwarz. Der Himmel ist unglaublich dunkel und blau. Der weißgraue Halbmond scheint stillzustehen. Mir ist, als säße ich unter einer Halbkugel. Ich bin in Dänemark. Klar, der Wind pustet fröhlich ums Haus. Ich bin müde. Die Fahrt war lang. Ich bin heute Abend wieder melancholisch. Und nicht ganz bei mir. Ich schreibe morgen weiter.

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