Die schönste Krankheit der Welt

Gerade eben habe ich mir den Dokumentarfilm „Die schönste Krankheit der Welt“ von Andreschka Großmann angesehen. Ein wundervoller Film, der aufzeigt, wie Leben mit einer bipolaren Störung möglich ist. Oder eben auch nicht. Ich bin nach wie vor sehr dankbar, dass ich jene Welten betreten durfte. Ich denke, bipolar zu sein, gehört zu den facettenreichsten Möglichkeiten, die dem Menschsein geschenkt werden können. Abwechslungsreicher geht es kaum. Wenn dazu noch, wie in meinem Fall, jedenfalls in der einen oder anderen Psychose, die Schizophrenie in Erscheinung tritt, wird das Ganze noch mal um einiges bunter und wilder. Ich weiß, wie sich eine Manie, wie sich eine Depression und wie sich eine Schizophrenie anfühlt. Schizoaffektiv. Ich bin im Himmel und in der Hölle gewesen. Ich war eine Zeichentrickfilmfigur, bin in einem Fernsehgerät gefangen durchs rabenschwarze Universum geschleudert worden, war in der kältesten und heißesten Hölle überhaupt. Stimmen haben mich genmatert, gequält, geärgert, verrückter gemacht als ich es eh schon war. Das volle Programm. Monatelang lag ich nur im Bett. Um überhaupt etwas zu spüren habe ich mich zehnmal am Tag für ein paar Minuten in die heiße Wanne gesetzt. Wenn du über Monate in der Psychiatrie feststeckst, musst du nach der Entlassung wieder alles ganz neu lernen. Das Leben fängt von vorn an. Einkaufen zu gehen wird zur größten Herausforderung, an der Kasse zu stehen eine echte Tortur. Du schaffst es kaum aufs Klo, willst keinen sprechen und keinen sehen. Dir fällt auch nichts ein, was du sagen könntest. Du bist ein Nichts. Nur noch ein Nichts. Zuvor vielleicht sogar ein Gott – und dann nur noch arm und krank. Allein. Hast es dir mit deinen Freunden verscherzt. Hast peinliche Sachen gemacht. Die Scham hat dich fest im Griff. Wahrscheinlich musst du noch Sprüche ertragen, wie, reiß dich jetzt mal zusammen. Jeder siebte Bipolare nimmt sich das Leben. Stimmt das? Ich habe es irgendwann mal gehört oder gelesen. — Jetzt, da der erste Teil meines Drehbuchs, in dem es genau um diese Krankheit geht, abgeschlossen ist, frage ich mich, ob es nicht klüger wäre, viel mehr ins Detail zu gehen. Aus dem Zweiteiler eine kleine Serie zu machen. Stoff für sechs bis acht Folgen hätte ich sofort. Wenn ich könnte, wie ich wollte. Im Prinzip kann ich ja. Aber wofür soll ich mir jetzt schon den Arsch aufreißen? Acht Folgen brauchen Zeit. Und solange keine Produktionsfirma Interesse bekundet, lass ich das Skript so wie es ist. – Und schreibe meinen kleinen Ratgeber für psychisch kranke Menschen. — Es ist so wundervoll, kreativ sein zu können und sein zu dürfen. Es ist so wundervoll zu glauben, man verstehe sein Handwerk bzw. seine künstlerische Tätigkeit. Es gibt kaum etwas Schrecklicheres als nicht sprechen zu können. Wenn man kein Gegenüber hat. Im Gegenüber ist der Mensch, der dich spiegelt. Im Gegenüber ist ein Gott. Es kann ein ganz kleiner, ein ganz junger Gott sein, das spielt keine Rolle. In deinem Gegenüber ist ein Gott. Wir alle sind göttliche Wesen. In uns allen ist Göttlichkeit. In uns allen steckt ein Stück Heiligkeit. Wir alle sind Licht. — Das Schöne, so empfinde ich es jedenfalls beim Schreiben, ist, dass zukünftige Sätze ganz unvorhersehbar sind. So habe ich keine Sekunde daran gedacht, dass das Wort Gott in diesem Text vorkommen soll. Ich habe lediglich kurz über den Anfang nachgedacht. Ich schreibe mich in einen Rhythmus, in einen kleinen Rausch. In manischen Phasen in einen riesigen Strudel, aus dem ich manchmal kaum wieder herauskomme.

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