Du bist depressiv. Seit einigen Tagen geht es dir beschissen. Du kannst dich nicht freuen. Jedenfalls nicht richtig. Kriegst zwar irgendwie ein Lachen hin, doch kommt es nicht aus den Tiefen deines Herzens. Du bist überfordert. Überfodert von der Arbeit, überfordert vom Leben. Ein Wunder, dass es dich zu deinem Schreibtisch zieht. Ein Wunder, dass es dir möglich ist, ein paar Zeilen zu schreiben. Du hast noch keine Ahnung, was du zustande bringst. Gerne würdest du über die Freiheit schreiben. Was bedeutet sie für dich? Für mich bedeutet Freiheit, dass ich schreiben kann, was ich will. Zum Beispiel, dass ich nicht frei sein kann, wenn ich einem Job nachgehen muss, der mir keine Freude bringt. Warum kann ich nicht von der Schreiberei leben? Ach, es geht gar nicht um den Job. Der Job macht mich nicht depressiv. Aber was genau macht mich depressiv? Was genau macht mich antriebslos? Anscheinend ist es das Gesamtpaket der Überforderung. Ständig ist mein Konto leer. Ständig muss ich zusehen, wie ich über den Monat komme. Immer rechnen, rechnen, rechnen. Pleitesein schränkt die Freiheit enorm ein. Hast du einen Chef, musst du darauf achten, was du von dir preisgibst, sonst feuert er dich. Gibt es keinen Menschen auf diesem kranken Planeten, der mich mit 350 Euro im Monat unterstützt, damit ich meine Freiheit während des Schreibens voll ausleben kann? Ganz andere Texte würden hier landen. Es nervt so. Frei bist du, wenn du schreiben und sagen kannst, was du willst. Frei bist du, wenn du kein Blatt vor den Mund nehmen musst. Frei bist du, wenn du ohne Nachzudenken deine Feder schwingen kannst. Der Chef sitzt dir im Nacken. Ja, du bist depressiv. Depressiv bist du, weil du gefangen bist. Depressiv bist du, weil du nicht ausleben kannst, was in dir steckt. Depressiv bist du, weil du nicht gefördert wirst. Deine Schreibe ist nicht die schlechteste. Es sind nur 350 Euro. Für viele viele Menschen ein Klacks. Oder du riskierst es. Schreibst trotzdem alles, was dich ankotzt. Riskierst deinen Job. Und dann? Kannst du die Kredite nicht mehr bedienen. Schon allein das hier zu schreiben, erfordert Mut. Wie lange schon hast du nicht mehr geschrieben: Fickt euch! Weil du dich nicht traust. Ganz ehrlich: Davon verschwinden die Depressionen auch nicht.
