Dann ist es eben so

Ich muss um fast jeden Satz kämpfen im Roman BLOCK. Ich habe das Gefühl, dass es mein schwierigstes Buch wird. Wenn es denn eins wird. 50 Seiten sind voll. Nächste Woche habe ich frei, das heißt, ich muss nicht zur Arbeit. Hoffentlich kann ich die Zeit gut nutzen. Aber wie ihr ja schon lange wisst: Es kommt immer anders als man denkt.

Wie geht es euch in dieser schweren Zeit?

Mir geht es so lala. Was immer das auch heißen mag. Irgendwie ist da wieder diese merkwürdige Leere in meinem Schädel. Mir ist klar, dass meine Fantasie durch die Medikamente drastisch eingeschränkt ist. Zurzeit fällt mir das Schreiben unglaublich schwer. Dennoch ist es wie ein Zwang, mich an den Schreibtisch zu setzen. Ich muss mir stets sagen: Du hast es nicht eilig. Du stehst nicht unter Druck. Du hast keinen Verlag im Rücken, der auf das Ding wartet. Du bist frei. Na ja, klar, ganz frei nicht. Immerhin hast du eine Frau und einen Sohn, für die du deine Freiheit ein großes Stück aufgegeben hast. Und zwar aus eigenen Stücken – ganz und gar freiwillig. Ich bin nicht Hemingway, nur Henningway. Hemingway ist fürs Schreiben über Leichen gegangen. Sogar an die Front hat er sich versetzen lassen, damit er echten Stoff hat. Ich habe heute das Wort „Teilzeitschreiber“ gehört. Finde ich geht so. Aber so funktioniert es nun mal für ganz viele Autoren, die nur zweitweise schreiben können und teilweise einem Job nachgehen müssen, damit sie bei Aldi ihr Brot und ihr Bier bezahlen können.

Corona.

Krasses Ding. Nervt uns alle. Wir brauchen den Lockdown. Wir sind zu viele Menschen auf der Erde. Gibt es das Virus deswegen? Die Inzidenz wird steigen und steigen. Die Intensivstationen sind bald voll. Wer es nicht glaubt, kann ja einfach mal ins Krankenhaus gehen, um sich zu überzeugen. Die Geimpften, so wie ich, übertragen das Virus weiter. Wer sich also kräftig genug fühlt, oder ist, kann auf die Impfung auch gut und gerne verzichten. Gibt es eine Impfpflicht, wird es Ausschreitungen geben. Zwangsimpfung, wie sich das anhört. Aber dann ist es eben so. Meine Taufpatin wird achtzehn. Sie sagt, ist doch egal, ob ich geimpft werde. Dann ist es eben so. Ich weiß nicht. Ich bin zu leer. Ich kann mich auch nicht aufregen, dafür bin ich zu sediert. Ich seh es wie meine Taufpatin. Sollen sie mir doch die dritte Spritze reinhauen. Ja, ich möchte noch ein wenig leben. Mein Blutdruck ist zu hoch, ich bin starker Raucher, bewege mich viel zu wenig usw. Wahrscheinlich ist mir viel zu viel egal. Nur sterben möchte ich noch nicht. Denn dafür liebe ich das Leben zu sehr.

Ich mache jetzt Schluss. Gute Nacht

Henning

Einen Abend später.

Die Stille. Die flackernde Flamme auf dem Docht der dunkelroten Duftkerze. Meine Finger tanzen über die Tastatur. Ich streichele meinen Bart. Trinke einen Schluck Rotwein. Der Abend bringt mich zum Nachdenken. Ich beiße vom Käsebrot ab. Du darfst dich nicht zu sehr in den Weltschmerz hineinsteigern, sonst wirst du deinen eigenen Schmerz nicht los. Was mir immer klarer wird, ist, dass wir für alles eine Quittung bekommen. Wir können nicht andere Menschen für unserer Befinden verantwortlich machen. Auch wenn es so wäre, es bringt rein gar nichts. Bei uns selbst müssen wir anfangen zu schauen. Wie sieht es in uns aus? Ich tendiere dazu, wieder und wieder die gleichen Fehler zu machen. Durch Fehler lernen wir normalerweise. Manchmal ist ein Fehltritt verheerend – er macht dich zum psychischen oder physischen Wrack. Die Narben unter der Haut sind nicht zu sehen und nicht zu zählen. Und doch strahlst du aus. Die Natur wird sich irgendwann erholen, der Mensch irgendwann leider nicht mehr. Die Natur wird sich die Erde immer wieder einverleiben. Der Erde wird es eines Tages (ohne uns) wieder gutgehen. Ja, ohne uns. Oder? Sehe ich das falsch? Das ganze Gift haben wir ja produziert – es ist ja noch da -, auch wenn wir alle weg sind. Endzeitstimmung. Stimmung? Ist vielleicht das falsche Wort. Endzeitmelancholie passt wohl besser. Manchmal überwiegt der schwere Blues. Nicht immer ist das Leben schön und leicht. Macht aber nichts. Ganz und gar nicht. Der Tag geht, der Tag kommt, der Tag geht, der Tag kommt. Könnte ich doch jeden Tag voller Zeit schreiben. Doch heute Morgen war mein Hirn so matschig, so verklebt, dass ich keinen Satz auf die Reihe bekommen habe. Ich bin kein Philosoph. Bin kein Prophet. Ich sehe, was ich sehe, ich fühle, was ich fühle. Zum großen Glück kann ich noch fühlen. Trotz der Medis bin ich noch nicht ganz abgestumpft. Jaja, die Medis. Mal zu wenig, mal zu viel. Die Balance. Finden. Ach, wie langweilig! Immer nur auf der Linie gehen, immer nur im großen Strom mitschwimmen. Wie totsterbenslangweilig! Mal die Fresse aufreißen. Steine rollen lassen. Nicht zu allem Ja und Amen sagen. Und sich nicht zu sehr aufregen. Wir können nur bei uns selbst anfangen aufzuräumen. Bei uns selbst.

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