BLOCK-Pause

Oft ist es gut, Dinge zu akzeptieren. Dann geht es dir besser. Sehe ein, dass du nur ein schlichter Autor unter Millionen bist. Einer, der gerade eine Blockade hat. Scheiße – damit gehts mir auch nicht besser. Grau in Grau – das ist das Problem. Zu viele schlichte Gedanken. Nirgends eintauchen zu können. In kein Buch. In keine eigene Geschichte. Ich nerve mich selbst. Mein Psychiater sagt, das ist der Sinn des neuen Medikaments – kein Auf und Ab. Laaaaaangweilig, sag ich euch. Wie kann man so leben? Eintööööönig. Sag ich ja – grau in grau. Wir Maniker brauchen die Hochs. Die Farbe. Na gut. Vielleicht ist es ja eine gute Möglichkeit, etwas mehr für meinen Körper zu tun. Mit der Diät starte ich am Montag. Interessiert mich heute aber noch nicht wirklich. Gestern habe ich mit Whisky und Wein versucht – den Kick zu bekommen. Nichts. Um acht eingeschlafen. Heute Morgen übelgelaunt aufgestanden, schon um sechs gewusst, heut wird das wieder nichts mit dem Schreiben. Meine Therapeutin meint, wahrscheinlich würde ich mich jetzt so fühlen, wie sich fast alle fühlen. Oh Gott! Das halte ich nicht aus bis zum Lebensende. Wo ist die Freude? Die richtige? Die aus der Tiefe. Wo ist das Glück? Das kurze Glück? Ja, mein Leben besteht aus Literatur. Neben meiner Familie das Wichtigste. Alles andere ist Banane. BESTAND aus Literatur – bis zur Umstellung der Medikamente. Schön. Ich brauche keinen Mittagsschlaf mehr – das war ja Sinn der Sache. Darum der ganze Aufwand. Und es hat geklappt, die Umstellung hat funktioniert, ohne dass ich in die Klinik musste. Glück gehabt. Mit einer Hypermanie knapp an einer richtigen Manie vorbeigerauscht. Ein paar Wochen in die Depression gefallen. Mehr nicht. Und jetzt? Zum Glück habe ich nächste Woche einen Termin bei meinem Psychiater. Wenn der mir sagt, das bleibt jetzt so – dann Prost Mahlzeit. Aber eines sag ich euch: Noch eine Umstellung mache ich nicht mit. Dann gibt es eben nichts mehr für mich zu schreiben. Dann lebe ich eben das laaaaangweiligste Leben der Welt. Ich kann ja noch Beamter werden. Dann stelle ich meinen Schreibtisch neben TBs auf. Wir hauen den ganzen Tag Zahlen in den grauen Monitor. Ist doch wundervoll. Und lachen uns tot. Zwischendurch glotzen wir Pornos. Immerhin – in Farbe! Haha. Sehr witzig. Und stemmen 1-Kilo-Hanteln. Oder wir spielen Mühle. TB muss mir dann Dostojewski vorlesen – ich kriegs ja nicht auf die Reihe. Gemeinsam machen wir dann unsere Siesta. Und das alles während der Arbeitszeit – im Büro. Was für ein ausgefülltes Leben. Die Kneipen haben ja eh zu. Also kann man noch mehr arbeiten. Man kann arbeiten bis zum Umfallen. Herzinfarkt. Schlaganfall. Saufen bringt uns auch nicht mehr in Stimmung. Ich überlege sogar, mit dem Rauchen aufzuhören. Es wird immer schlimmer. Ich lass mir noch Medis verschreiben, die auf die Potenz gehen. Was soll der ganze Scheiß! Überflüssig. Kind ist doch da. Verlieben? Nee danke, nie wieder. Gar nicht mehr gucken. Sehen doch sowieso alle gleich aus. Und wenn sie erst die Fresse aufmachen. Blablabla. Ich schaff nicht mal Hemingway zu lesen. Gar keinen. Ich kauf mir jetzt Wirtschaftsbücher. Studiere Jura. Fange beim Finanzamt an. Als Aktenordner. Und höre auf zu sprechen. Über was soll man auch reden? Grau in Grau. Grau in Grau. Grau in Grau. Aber der Himmel ist doch blau! Nein – grau! Die schönen Bäume – alle gelb, golden, rot, grün! FRESSE! GRAU! Pass auf, du lächelst! Das ist mein HASSBLICK! Kannst du mir mein Zimmer streichen? Ja, in GRAU!

Vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm. Vielleicht BLEIBT es ja nicht so schlimm. Immerhin habe ich 15 Jahre lang andere Medis genommen. Seit 30 Jahren lebe ich mit Hochs und Tiefs. Vielleicht muss ich mich ja erst mal nur an den neuen Zustand gewöhnen, um dann wieder ab und zu ausbrechen zu können. Ich hoffe, dass kann mir nächste Woche mein Psychiater sagen. Am besten bestätigen. Heute müsste die Lektüre zum Drehbuchschreiben geliefert werden. Und ein Buch übers Schreiben generell. Vielleicht bringt mir das neue Inspiration. Es könnte auch sein, dass BLOCK nicht das richtige Buch in dieser Zeit ist. Oder nie.

TB, ich liebe dich. Weil du mich verstehst. Weil du weißt, wie ich mich fühle. Weil du meinen Zustand nachvollziehen kannst. Auch wenn du nie manisch-depressiv gewesen bist. Depressiv schon, klar. Und kleine Manien hattest du sicherlich auch schon einige. Auch mit mir zusammen. Da muss doch auf die Dauer was zu machen sein …

Ehrlich gesagt hat mir das Schreiben dieses Beitrags Freude bereitet. Ich sitze draußen unter dem Carport, rauche eine gute Zigarre – hab geschrieben. Die Sonne scheint auf den Laptop. Der Wind lässt das Laub an den Bäumen rascheln. Auf dem Tisch liegen Kastanien und Eicheln, die mein Sohn im Wald gesammelt hat. Heute gibt es Reh zu essen. Morgen Grünkohl. Übermorgen Pizza. Hör auf zu denken, du Idiot! Nimm das Leben an. Breite die Arme aus, dreh dich im Kreis und schrei: ICH LEBE! Oder sag: Mein Körper schmerzt. Mein Knie. Die Lunge. Die verdammte Fettleibigkeit. Dir fallen die Haare aus. Denk den ganzen Tag an die Schulden. Renn mit dem Schädel gegen die Wand.

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