Besser als nichts

Das Dahinfließen fehlt. Es fehlt, nur noch die Geschichte, nur noch der Roman zu sein. Fühle ich mich wie im Tunnel, fühle ich mich ganz. Fühle ich mich vom Schreiben berauscht, geht es mir gut. Gelingen mir ein paar Sätze, bin ich befriedigt. Seit Monaten gelange ich nicht in die Tiefen meiner Fantasien. Die Medis verhindern es. Es scheint, als schlummerten sie. Dafür fühle ich mich relativ stabil. Mir ist, als funktioniere ich wie ein Elektrogerät. Na ja, nicht ganz. Immerhin fühle ich die tiefe Liebe zu meiner kleinen Familie. — Heute habe ich keine Nachrichten gehört. Selbstschutz. Meine Freunde glauben nicht daran, dass der Krieg uns „erreichen“ wird. Erreicht hat er uns schon lange durch die Flüchtlinge. Meine Freunde können sich nicht vorstellen, dass es hier auch knallen wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es nicht passiert. Wieso sollten wir verschont bleiben? Weil Gott uns beschützt? Wenn das Leben tatsächlich eine Prüfung darstellt, müssen wir uns selbst aus der Patsche helfen. Allerdings, nehme ich an, sind wir da nicht fähig zu. Die meisten meiner Freunde sagen, sie können sowieso nichts tun. Sie beruhigen ihr Gewissen, wenn überhaupt, durch ein paar Spenden. Immerhin. Besser als nichts. Die allermeisten meiner Freunde spenden keinen Cent. Oder, glaube ich an das Gute im Menschen, sprechen sie nicht über ihre Spenden. So soll es sein. Wie gerne wäre ich jetzt im Flow. Stattdessen denke ich jeden Satz vor. Ich raufe mir das Haar. Trinke einen Schluck Rotwein. Streichele mir den Bart. Schließe die Augen und warte auf eine Eingebung. Stütze meinen Kopf ab. Atme schwer. Fühle meine flache Stirn. Kratze meine juckenden Schienbeine. Ich bin müde. Seit sechs Uhr bin ich auf den Beinen. Jetzt ist es halb zehn am Abend. Gute Nacht!

Henning

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.