Ganz still ist es hier in meinem kleinen Zimmer. Das Glas Rotwein steht links neben mir, gemütliche Lampen dimmen vor sich hin. Eine extreme Woche liegt hinter uns. Die Nachrichten überschlagen sich. Die bewegten Bilder machen einen fertig.
Guten Morgen!
Wir müssen, hier, in diesem zurzeit noch friedlichen Deutschland, versuchen, unsere kleinen Welten in Ordnung zu halten. Was anderes ist anscheinend nicht möglich. Vielleicht beten. Auf die Straße zu Friedensdemonstrationen gehen. Gute Gedanken an die vielen Opfer senden. Spenden.
Es herrscht leider Krieg. Der erste Schock ist vorüber. Wie viele Schocks noch folgen werden, ist ungewiss. Mach dich lieber bereit. Auf was? Auf den Tod solltest du dich ohnehin vorbereiten. Ganz plötzlich kann er dich am Kragen packen und mitziehen in die andere Welt. Wie sieht jene andere Welt aus? Wir wissen es nicht. Wie werden wir uns fühlen? Was werden wir fühlen? Werden wir uns irgendwann wiedersehen? Auf der Erde? Im Paradies? In der Hölle? Ist die Erde Paradies und Hölle? Ist die Erde jene andere Welt?
Der Himmel heute Morgen ist wundervoll blau. Die Sonne scheint. Vögel zwitschern, und die frische Luft weht mir ganz sanft auf meine freien Arme. Wie soll es funktionieren, dass man derzeit einen langen Roman schreibt? Ich jedenfalls kann es nicht. Mir fällt es schon schwer genug, einen „freien“ Blogbeitrag zu verfassen.
Meine Gedichte bleiben im Regal liegen. Sie werden bald von einem dünnen Staubfilm überzogen sein. Keiner mehr wird danach fragen. Schade. Aber schade finde ich ja nur ich es. Kein Mensch sonst. Ich werde damit leben – müssen. Es war doch klar, dass es irgendwann, in absehbarer Zeit, einen Krieg in Europa gibt. Nur die „Blinden“ und „Tauben“ haben die Warnschreie nicht vernommen. Ich hätte aber nicht geglaubt, dass es gerade die berühmtesten Künstler Deutschlands sind, die ihre Fresse halten. Anstatt sich jetzt zusammenzuraufen und so schnell es geht Benefizkonzerte zu organisieren. Und zwar alle zusammen. Es gibt Dinge, die kann oder will ich nicht begreifen.
Guten Abend!
Und wieder steht ein Glas Rotwein links auf meinem Schreibtisch.
Ich warte. Ich warte auf Worte, wie zurzeit jeden Abend.
Manch ein Mensch geht über Leichen, ihm ist ein Leben nichts wert, in manchen Fällen nicht einmal sein eigenes. Er geht für seinen Führer in den Tod. Ein solches Leben hat nichts mit innerer Freiheit zu tun. Doch darum geht es: Frei zu sein. Zumindest innerlich. Und wenn du gesund bist, dann selbstverständlich auch als ganzer Mensch. Zumeist bauen wir unsere Mauern und Grenzen selbst. Jedenfalls, wenn man in einem freien Land wie Deutschland leben darf. Gerade sind wir dabei unsere Freiheit zu verlieren. Wenn wir Pech haben, bleibt uns nichts anderes übrig, als sie aufzugeben. Schaust du nur weg, bist du egoistisch. Vielleicht denkst du: Wieso? Mir geht es doch gut! Ich mach mich nicht verrückt. Sollen die sich doch abballern.
Das Problem, das ich sehe, geht tiefer. Tötest du einen Menschen (auch aus Notwehr), nimmst du diese Tat mit in alle Leben, die folgen werden. Bestimmt dauert es dann bis zur vollendeten Freiheit eine halbe Ewigkeit. Wie lang die ist? Hm. Keine Ahnung. Vielleicht bekommst du in jedem neuen Leben auch eine neue Chance alles aus der Vergangenheit wieder gutzumachen. Ich kann von mir erzählen. Schon als Kind, mit acht Jahren, habe ich Süßigkeiten gestohlen. Später waren es dann Zigaretten, Schallplatten, Sonnenbrillen usw. In der Ausbildung habe ich meinen Chef beklaut. Meiner Mutter, meiner Oma, meinem Vater habe ich Geld aus dem Portemonnaie stibitzt. Einem guten Freund habe ich zwanzig Mark gestohlen usw. usw. Irgendwann, ziemlich spät, ich glaube, ich bin schon auf die vierzig zugegangen, habe ich dann begriffen, dass du im Leben alles wiederbekommst. Und ab irgendeinem Tag wusste ich jedes Mal wofür genau ich eins in die Fresse bekam. Nicht viel geschieht aus purem Zufall. So ist halt mein Glaube. Es mag vieles dagegensprechen, ich bleibe für mich trotzdem dabei. Und meinem Sohn vermittele ich: Behandle die Menschen so wie du von ihnen behandelt werden möchtest. Bist du zu anderen nett, sind sie meistens auch zu dir nett. Natürlich gibt es Ausnahmen. Die gibt es immer. Also wenn du einen Menschen tötest, wundere dich nicht, wenn Jagd auf dich gemacht wird. Lügst du zu viel, merken es bald deine Bekannten und meiden dich.