Die Stille. Die Regentropfen tröpfeln auf die Steine. Ich trinke einen Schluck Rum und trauere der Poesie hinterher. Das neue Jahr hat heute begonnen. Ohne mich zu fragen. Keine Vorsätze, die ich mir auferlegt habe. Ich lasse mich tragen. Wohin? Durch das neue Jahr. Vielleicht springe ich ab. Aus deinen Händen. Und gehe den Weg, der meinen Tagtraum erfüllt. Seit Jahrzehnten. Meinen Tagtraum bestimmt. Ich kann dich nicht lesen. Gelegentlich nur hören. Würde gern mit dir reden. Dich fragen, wie es dir geht. Viele Fragen fallen mir ein. Vor allem, wie du fühlst. Fühl dich nicht angesprochen, es reicht, wenn ich es tue. Ich rede mit mir selbst. Jeden Abend über der Tastatur. Ich schreibe dich und dich und dich an. Ein ganzes Gespann. Der Kreis ist groß. Der Kreis der Künstlerinnen und Künstler. Jede und jeder kennt jede und jeden. Ich stehe außen davor. Millionäre. Wohin mit den vielen Millionen? Vererben. Verspenden. Fühlst dich ungerecht behandelt. Neidvoll. Du gehörst nicht dazu. Niemals. Und damit kommst du nicht klar. Ich meine dich und dich und dich. Ich schreibe über mein Ich. Über mein verdammtes Ich. Meine Seele verleiht mir Schmerz. Mein Herz pumpt das Blut durch meinen Körper. Und manchmal sind es nur Traumsequenzen, die aufflackern wie Blitze. Ich möchte sie halten, doch sind sie zu schnell. Viel zu schnell. Das Leben ist eine Schnur. Mit Knoten und Schlaufen, Verwicklungen und Morschheit. Manchmal wie ein Knäul, welches geworfen und getreten und bespielt wird. Hart und weich zugleich. Schwer und leicht zugleich. In allen erdenklichen Farben – farcettenreich. Milliarden von Farben – nuancenreich. Die Worte kommen wie von allein. Zu viel der Persönlichkeit – von dir -, die ich nicht ertrage. Die mich depressiv verstimmt. Mich traurig und melancholisch macht. Mich einhüllt in frühere Zeiten. Wie ich heute schreibe, ist nicht, wie ich morgen denke. Wie ich gestern dachte, ist nicht, wie ich heute schreibe. Jeder Augenblick ein anderer. Jeder Augenblick ein neuer Anfang. Du kannst den Wecker auf den Kopf stellen, die Zeit aber nicht. Ich möchte so schreiben wie du. Du möchtest so schreiben wie ich. Ich möchte niemals so sein wie du. Wie sollte das auch gehen? „Du bist du und ich bin ich, fest verwachsen sind wir nicht. Manchmal möchte ich du sein, und du manchmal ich, leg dich zu mir, ich liebe dich, leg dich zu mir, ich liebe dich …“ (Westernhagen) Es sind nicht viele, die alles verstehen. Alles? Es sind nicht viele, die diesen Text verstehen. Ich meine dich und dich und dich. Du glaubst zu verstehen. Du verstehst für dich. Ich versteh für mich. Es hat aufgehört zu tröpfeln. Ganz still ist es. Die Tasten haben einen angenehmen Anschlag. Sie warten sehr geduldig. Gerne wäre ich gerade am Meer. Würde mich am Rauschen der Wellen erfreuen. Zurückgezogen einen Spaziergang – allein – ganz allein. Ist man dann allein, möchte man nicht allein sein. Zu oft möchte man das haben, was man nicht hat. Hat man es dann, möchte man was anderes haben. Das Leben nutzt sich so ab wie ein Paar Schuhe. Der Abend neigt sich gerade dem Ende, es ist halb elf. Das neue Jahr hat heute begonnen. Ich wünsche euch alles Gute, viel Spaß, Gesundheit, Träume, an die ihr glaubt, Hoffnung, Liebe, Nahrung, Wärme. Spannung natürlich auch. Gelegentlich einen Kick. Kein schlechtes Gewissen, das euch quält, das euch matert, das euch auffrisst. Schlaft gut ein. Wacht freudig auf. Vergesst nicht – das Leben ist eine Schnur. Endlos, so mein Glaube. Lasst euch nicht verrückt machen von besessenen Chefs und Chefinnen. Die Schreibtischlampe ist voller Staub. Das Glas ist leer. Ich schenke nach. Rauche eine. Bin ganz im Hier und Jetzt. Nirgendwo anders. Nicht in der Vergangenheit, nicht in der Zukunft. Die Zeit ist nicht zurückzudrehen und nicht vorzustellen. Kannst du interpretieren wie du möchtest. In deinen Gedanken solltest du frei sein. Lass deine Fantasie nicht beschränken. Brich aus. Flieg weg. Vergiss nicht wiederzukommen. Komm – noch ein Schlückchen. Ich freue mich auf Dienstag. Ich freue mich auf TB. Ich freue mich auf heute Abend – auf Celine. Hätte Celine mehr Zeit gehabt … Wäre er nicht so verdammt arm gewesen … So viel wartet noch darauf gelesen zu werden. Wir alle haben zu wenig Zeit. Nicht einmal im Ansatz verstehen wir die Welt. Natürlich glauben wir etwas anderes. Wir alle glauben etwas anderes. Wir alle haben andere Vorstellungen. Jeder für sich. Jeder für sich allein. Wisst ihr, was das Schönste am Schreiben ist? Es funkt einem keiner dazwischen. Jedenfalls dann nicht, wenn man gerade am Werk sitzt. Wenn man für sich allein sein kann. Und immer wieder Traumsequenzen, die keinen Zusammenhang ergeben. Ich trinke noch aus und mache dann Schluss für heute. Lese noch einmal gegen. Macht es gut. Macht es besser. Macht es perfekt, wenn möglich.
Liebste Grüße
H.T.