Reden und Schreiben

Ein Glas Wein. Der Anfang ist gemacht. Die ersten drei Sätze stehen. Wo wird dieser Text mich hinführen? Ich genieße gerade die Stille. In mir wird es auch wieder ruhiger. Keine Turbulenzen mehr. Gestern habe ich drei Stunden am Roman gearbeitet – ein echter Erfolg. Bin ins Fließen geraten. Den Flow kenne ich nur während des Schreibens. Jedenfalls, wenn es um meine Arbeit geht. Und dein Flow? Wie geht es dir? Mir geht es okay. Was immer das auch heißt. Es wird viel zu viel geredet. Manchmal viel zu viel geschrieben. Deine Gedanken spielen verrückt. Du gerätst in den Strudel. Kannst nicht stoppen. Redest und schreibst. Schreibst und redest. Redest und schreibst dich um Kopf und Kragen. Und am Ende bleibt nichts, bis auf die Erinnerung. Hin und wieder erscheinst du. Für ein paar Augenblicke. Und du. Und du. Und du. Manchmal erscheinst du im Traum. Die Freiheit wird dem Schriftsteller genommen, sobald er sich bindet. Sobald er Verantwortung für eine Familie übernimmt. Er schreibt nicht mehr völlig frei. Oder er ist ein Hemingway. Oder ein Miller. Oder ein Bukowski. Vielleicht. Aber auch nur vielleicht. Selbst die Größten haben sicherlich dann und wann Rücksicht genommen. Auf Gefühle. Rücksicht auf die Frau. Rücksicht auf die Kinder. Auf die Eltern. Am wenigsten auf sich selbst. Du willst niemanden verletzen. Niemanden vor den Kopf stoßen. Keine Scham verursachen. Nicht nur der Schriftsteller verzichtet auf seine Freiheit. Auch der Abenteurer. Der Reisende. Gründest du eine Familie, sind Kompromisse zu erfüllen. Du kommst nicht drum herum. Es sei denn, du bist so egozentrisch, so egoman, so egoistisch, dass dir deine Familie nicht wichtig genug ist. Du weißt, ohne Familie würde dein Weg ein anderer sein. Besser oder schlechter? Du hast dich entschieden, als du ja zu deiner Frau gesagt hast. Du hast dich entschieden, als du ja zu deinem Kind gesagt hast. Du hast dich entschieden, als du nein gesagt hast. Du lebst für deine Kunst. Du lebst für die Unabhängigkeit. Du lebst für die Freiheit. Du lebst für dich. Nur für dich. Du brauchst keine Rücksicht zu nehmen. Deine Eltern sind tot. Auch wenn sie noch leben, für dich sind sie längst gestorben. Was ist der Sinn? Sich zu vermehren in der heutigen Zeit – wohl kaum. Steht uns ein Weltkrieg bevor? Corona zwingt uns in die Knie. Die Umwelt ist am Ende. Die Wirtshaft fliegt uns um die Ohren. Reiche werden reicher. Arme werden ärmer. Und du? Du verschwendest deine Zeit, anstatt noch etwas Sinnvolles zu schaffen. Du hängst zehn Stunden täglich vor der Glotze und lässt dich ablenken. Bloß nicht über dich selbst nachdenken. Bloß nicht über den Tod sinnieren. Gute Zeiten Schlechte Zeiten. Tatort. Mord und Totschlag. Aber gut. Besser als depressiv werden. Jeder versucht sich über Wasser zu halten und nicht unterzugehen. Du schwimmst mit. Fällst nicht auf. Hältst dich weitgehend an alle Regeln. Ich verehre die Leute, die gegen den Strom schwimmen. Jedenfalls in ihrer Kunst. Ich mag die Verrückten. Die wirklich Verrückten. Die wirklich Verrückten, die nicht aggressiv sind. Den Unberechenbaren geh lieber aus dem Weg. Wechsel die Straßenseite.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.