Ich bin sehr, sehr zufrieden !

Ich sitze auf der Terrasse, schlürfe Kaffee, rauch ne Cigar. Eine der letzten, denn nächste Woche Freitag höre ich auf damit. Ich will auf einen schönen, alten Volvo sparen, der mich ab dem nächsten Jahr begleiten soll. Mit 50 möchte ich mir diesen materiellen Traum erfüllen, aber das geht nur, wenn ich mein Geld nicht in die Luft blase. Ich rauche wirklich gern, muss ich schon zugeben. Ich kann aber nicht nur mal ab und zu eine rauchen, das haut bei mir nicht hin. Entweder ganz oder gar nicht. Anders gehts nicht. Ist wie bei einem Alki. Ein Schluck Fusel und das war es. Ist leider so. Arme Alkoholiker. Erst mal muss man ja auch einsehen, dass man suchtkrank ist. Ja, man ist wirklich krank, wenn man von einer Droge abhängig ist. So etwas ist niemals auf die leichte Schulter zu nehmen. Ich empfehle denjenigen, die da nicht allein rauskommen, sich Hilfe zu holen. Selbsthilfegruppe, Arzt, Psychologe … Mein Gott, ich spreche schon so wie mein Vater. Ach nee, der ist ja schon lange tot. Kann man nichts machen. Weg ist weg. Ein Toter kommt nicht wieder. Da muss man mit abschließen. Ist ja komisch, dass man sich um den eigenen Tod so wenig Gedanken macht. Jede Sekunde kannst du ins Gras beißen. Hinfallen, Unfall, sonst was. Ich habe mir aber vorgenommen, noch ein paar Jahre zu machen, euch zu nerven mit meinem Geschreibe. — „Im Wahn der Zeichen“ kann man jetzt als „F 25 – Schizoaffektiv“ runterladen und sich reinziehen. Kostet 7,99. Also, auf gehts. Im September soll es als Taschenbuch erscheinen. Ich freue mich sehr drauf. Endlich habe ich eine Managerin gefunden, die mir behilflich sein wird. Wir grasen etliche Schulen in Niedersachen, Hamburg und Berlin ab. Hauptschulen, Gymnasien, Gesamtschulen, Unis, Berufsschulen für Krankenschwestern und sonstige Pfleger, Psychiatrien, Selbsthilfegruppen etc. Ein bis zwei Lesungen pro Woche wären der Hammer. Ist aber drin, sag ich euch. Wenn ich mich da nicht mehr selbst drum kümmern muss. Termine, die Schulen anschreiben, Rechnungen schreiben usw. Dann rausche ich mit meinem fetten Volvo von Schule zu Schule. — Außerdem werde ich endlich im Laufe des Jahres das Zeldox umstellen. Damit ich nicht mehr den verdammten Mittagsschlaf brauche. Was wäre das für eine Erleichterung für das ganze Famlienleben! Klar, ein Risiko ist es schon, ein Medikament umzustellen, das man zwölf Jahre, oder sogar etwas länger, einnimmt. Aber ich bin bei meiner Therapeutin in sehr guten Händen. Außerdem sind meine Frau und ich inzwischen auch so dermaßen sensibel geworden, was seelische Veränderungen bei mir angehen, dass ich mich ziemlich sicher fühlen kann. Ganz abzusetzen traue ich mich nicht, und es ist bestimmt auch nicht nötig. Meine Psychiaterin tritt sehr dominant auf und wollte sich bisher an keine Umstellung ranwagen. Meine Aufgabe besteht also darin, sie zu überzeugen, was wahrscheinlich kein ganz einfaches Unterfangen wird. Alte Ärzte sind oft sehr festgefahren in ihren Behandlungsmethoden. Man darf also gespannt sein. Aber erst einmal kommt mein Sohn im August zur Schule. Das wird für uns alle auch eine riesige Umstellung werden. Wir freuen uns aber sehr drauf. Wir haben einen Platz an einer Privatschule bekommen, worüber wir sehr, sehr froh sind. Also Leute, ihr seht, es läuft alles ganz gut zurzeit. Ohne Ziele würde ich auch verrückt werden. Wie langweilig wäre denn dann bitteschön das Leben! Ich bin nebenbei sogar noch auf der Suche nach einem Job – und ich habe sogar einen in Aussicht. Wenn alles klappt, gehts am 1. August los. Ist ein Minijob, den ich mir gut zutraue. Und ich hätte immer noch genug Zeit zum Schreiben. Neben der Familie das aller, aller Wichtigste. Bringt mich zu einer einsamen Insel, gebt mir aber meine Frau und meinen Sohn mit, und was zu schreiben. Und wenn sie ganz, ganz einsam ist, dann wenigstens Stifte und Papier. Ich lese ja gerade Robinson Crusoe, ein Buch, das mich total, wirklich total flasht. Ist so ziemlich eines der besten Bücher, die ich je in der Hand gehalten habe. Zum ersten Mal erschienen 1719. Besser geht nicht. Die Übersetzung macht es natürlich. Danach werde ich wieder Carver, Fante, Djian und Bukowski lesen. Und auf jeden Fall bald Moby Dick, den alten Klassiker. Lasse ich mir von TB schenken. Der ist ja gerade auf dem Dostojewski-Trip. Hab ich schon öfter versucht, komme aber nicht so richtig rein in seine Schriften. — Meine Managerin schleift gerade an F 25 rum, dann geht es noch ein, zweimal durch meine Hände, Jean arbeitet am Cover, und dann gehts raus in die Welt. Ich hoffe, ihr kommt alle zur ersten Lesung und wollt eines der ersten Exemplare erstehen. Die erste Lesung und Präsentation findet natürlich im Havana statt. Ich hoffe, irgendwann im Oktober. Ohne Zigarre. Ohne viel Rauch um nichts. Ach, ist das Leben wundervoll, Leute! So kann es weitergehen, ehrlich. Ich habe gute Freunde, ich habe Ziele, eine intakte Familie, genug Zeit zum Schreiben, stelle mich ab und zu auf einen Flohmarkt, gehe in die Kneipe, höre bei mir im Zimmer Musik, trinke gelegentlich Whisky oder Wein, oder Bier, habe zu essen, ein Auto, ein Haus, einen Garten, eine Terrasse, eine Mutter, die mich unterstützt, wo sie nur kann, eine liebe Schwester, und das aller Wichtigste – ich bin derzeit stabil. Glaube ich jedenfalls. Bin auf dem Boden, hebe nicht ab. Bin wirklich zufrieden. Habe aber auch keinen Druck, womit ich leider überhaupt nicht umgehen kann. Druck hat mich viele, vele Male zum totalen Absturz gebracht. Dann geht nichts mehr. Alles ist mit einem Schlag vorbei. Die ganze Schönheit des Lebens. Meine Frau übt nur leichten Druck auf mich aus, muss sie auch, sonst gehts nicht voran. Und ich selbst mache mir auch ein wenig Druck, was das Schreiben angeht. Ohne geht nicht. Aber ich bin nicht mehr besessen davon, berühmt werden zu müssen. Das war ich nämlich viele, viele Jahre. Natürlich wäre ich nicht abgeneigt, in eine Villa nach Waldheim zu ziehen. Oder eine Schreibwohnung irgendwo zu haben. Aber ganz ehrlich – wozu? Ich weiß, wie es ist, Hunger zu haben. Ich weiß, wie es ist, gar nichts zu haben. Nur der Sucht nach Drogen zu folgen. Sei es drum – ich mach jetzt Schluss.

Euch ein schönes entspanntes Wochenende   !

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