Ist schon schwierig manchmal, wenn man so leer ist. Klar, ich kriege hier alles geregelt, kann mich um meinen Sohn kümmern, bin auf dem Teppich, habe keine Größenideen, keine Hochs, keine Tiefs. Aber auch keine Inspiration für einen Text, schon gar nicht für ein ganzes Buch. Ich hoffe auf den Frühling. Ich habe mir überlegt, dass ich das Schreibzimmer in der Fabrik noch ein halbes Jahr behalten werde, sollte sich bis dahin keine Kreativität in meinem Hirn auftun, kündige ich den Mietvertrag. Manchmal stellt man sich über Jahre was vor, es arbeitet täglich im Kopf, und wenn es denn soweit ist, ist es ganz anders. Lange nicht so, wie man es sich erhofft und drauf gefreut hat. Ich wollte immer ein Schreibzimmer- oder eine Wohnung haben, weil ich glaubte, dort besser schreiben zu können. Dem ist nicht so. Oder ist es so, weil ich nur im Augenblick nichts aufs Papier kriege? Oder weil ich mich gerade damit abfinde, niemals von der Schreiberei leben zu können. Wie ihr wisst, wenn ihr meine Blogbeiträge verfolgt habt, liegen hier eine Menge Manuskripte rum, die darauf warten, überabeitet zu werden. Ich kann mich aber nicht mal dazu aufraffen. Wie mein Psychiater sagt: Stumpf ist Trumpf! Und was ich dazu sage: Langweilig. Eintönig. Grau. Meine Psychologin meint ja, so fühlen sich Milliarden Menschen, das sei eben die Normalität. Oh Gott, wie leid tun mir die Menschen, die nie verrückt gewesen sind in ihrem Leben! Und erst recht die, die nur depressiv und nie manisch waren. — Ich hatte auch schon Jahre, in denen ich nicht geschrieben habe. In jenen Jahren war ich anderweitig kreativ, habe kunsthandwerklich gearbeitet, eine Zeit, die mir gut gefallen hat. Eine Zeit, die ich brauchte. Du musst dich auf bestimmte Dinge einlassen. Sie akzeptieren. Am schwierigsten wird das Leben, wenn du zu etwas gezwungen wirst. Früher oder später wirst du krank. Manchmal bemerkt man den Zwang gar nicht. Dann gehst du 30 Jahre ins Büro, glaubst, du hast ja einen einigermaßen lockeren und gut bezahlten Job, aber ganz tief in dir drin bist du jemand, der viel lieber an der frischen Luft mit Blumen arbeiten würde. Du wirst traurig, oder bist überarbeitet, obwohl sich im Grunde gar nichts verändert hat. Du merkst nur auf einmal, dass irgendetwas nicht mit dir stimmt. Deswegen ist es, davon bin ich überzeugt, gar nicht so übel, wenn man schon in frühen Jahren eine psychische Krise überwindet. Im Alter wird es mit jeder Krankheit schwieriger, egal, ob seelisch oder körperlich. Der Heilungsprozess dauert immer länger, nichts heilt mehr so schnell zusammen wie in den jungen Jahren. Ich fühle mich zum ersten Mal im Leben wie 50. Wenn man das überhaupt so genau definieren kann. Es gibt Menschen, die konnten nie richtig Kind sein. Sie mussten schon immer alles unter Kontrolle haben. Bloß nicht mal aus der Rolle fallen, alles rational erklären, für alles eine Ursache suchen. Keine Phantasie. Bloß keinen Scheiß bauen. Bloß nie mutig sein. Mitschwimmen im großen Strom. Denk an die Nachbarn. Denk an deine Familie. Vor allem an deine Eltern. Denk an die Kollegen. Sind sie nicht alle nett! Da bist du gut aufgehoben. Sei froh, dass du solche Eltern hast. Was sie dir alles ermöglicht haben! Sei dankbar. Sei dankbar dein ganzes Leben lang! Rede nie schlecht über sie. Ach – fick dich, Vater! Du bist doch selbst nicht klargekommen. Hast gesoffen, gezockt, rumgehurt. Hast gestohlen und betrogen! War ich deshalb als Kind und Jugendlicher so verdorben? Bin ich wegen dir zum psychischen Wrack geworden? Habe ich es dir zu verdanken, dass ich mit 30 in Rente musste? Dankeschön. Dankeschön, dass du abgehauen bist, als ich zehn war. Dankeschön, dass du dich von da an so liebevoll um mich gekümmert hast. Dankeschön, dass du immer für mich gezahlt hast. Du hast es uns allen wirklich leicht gemacht. Natürlich komme ich da inzwischen mit klar. Es berührt mich nicht mehr. Viel zu lange bist du fort. Du arme Sau …