EXIL ?

Ich weiß, ich weiß. Den Blog sollte ich besser pflegen. Alles, was einem lieb ist, sollte man sowieso pflegen. Das eigene Leben als erstes. Den Körper. Die Seele. Den Geist. Natürlich auch die Bziehung zu anderen Menschen – Freundschaften. Kaum etwas ist wertvoller. Im besten Fall nur die eigene Familie. Vielleicht. Die eigene Familie als wertvoll betrachten zu dürfen, ist ein Geschenk. Ja, das ganze Leben ist ein Geschenk. Die Erde. Das All, mit all seinen Sternen und unerforschten Sphären. Die Erde ist reich an Wasser und Lebensmitteln. Nahrung wäre genug für alle da. Wäre. Wir haushalten nicht gut genug. Raffen und Raffen, sind habgierig, gönnen den anderen nicht die Butter auf dem Brot. Jeder Mensch ist Egoist. Jeder denkt zuerst an sich selbst. Nicht unbedingt in jeder Situation, aber in fast jeder. Klar, sonst könnte er auch nicht überleben. Würde er nicht zuerst an sich selbst denken, würde er verkommen und verhungern. Es gibt aber Menschen, die gehen für andere in den Tod. Für das Kind. Für den Partner. Für Vater oder Mutter. Für einen Führer. Für Propheten und Götter. Propheten und Götter, die vielleicht durch den einen Gott erschaffen wurden, vielleicht, aber durch den Menschen verherrlicht wurden und werden. Ob es den einen Gott gibt oder nicht, sollte jeder frei für sich entscheiden können. Man lebt durch den Einfluss unendlicher Gedanken. Bücher, Filme, Zeitungen, neue Medien … Gespräche … Sich eine eigene Meinung zu bilden, ist gar nicht so einfach. Da gehört schon Mut zu, zu seiner eigenen Meinung zu stehen. Um so prominenter du bist, um so mehr kannst du dich trauen. Um so sicherer bist du. Wohnst du in einem Block mit dreißig Faschos, will ich sehen, wie du zu ihnen sagst, mein bester Freund ist Syrer, meine Meinung ist … Gibst du aber ein Konzert vor 50.000 Fans, ist es ein leichtes zu sagen, diese Scheiß-Nazis will hier keiner sehen. In der Gruppe kann man sich stark fühlen. Links oder rechts, schwarz oder rot. Klar gibt es immer wieder lebensmüde Menschen. Aber sie bewirken nichts anderes, als das sie nach einer Heldentat vielleicht zu Krüppeln gedroschen werden. Und dann? Vielleicht noch ein lobender Zeitungsartikel von Zivilcourage. — Ich wollte über die Pflege dieses Blogs schreiben. Die Pflege lässt nach. Auch das Schreiben am neuen Buch hat nachgelassen. Es liegt so verdammt viel an. Jeden Tag. Ab morgen hat mein Sohn 14 Tage Ferien, d. h., er möchte von mir verwöhnt werden. Wird er. In der Zeit, in der ich Zeit hätte zum Schreiben, renoviere ich das Haus von Uroma. Ich denke aber, Ende Novmeber bin ich endgültig durch damit. Dann braucht mich überhaupt niemand mehr zu fragen, ob ich ihm beim Renovieren helfe. Nee, keine Zeit! Ich bin Schriftsteller! Außerdem habe ich einen Job, der zu pflegen ist, und den ich dazu noch gern mache. — Ich sage euch was. In letzter Zeit mache ich mir ab und Gedanken darüber, wie es wohl wäre, in den USA zu leben. Es kommt natürlich darauf an, wo. Und warum. Ich spiele mit meinen Gedanken und stelle mir vor, ich müsste im Exil leben und arbeiten. In Europa wäre ich nicht mehr sicher. Ich wollte aber in ein westliches Land, da ich mich in diesen Gefilden, meiner Krankheit wegen, sicher fühlen kann. Nach Asien zu ziehen, wäre sicherlich nicht die beste Idee. Als ich letztes Jahr in Amerika war, hab ich mich wirklich sehr sicher gefühlt. Ich glaube, ich hätte kein Problem damit, alles hier hinter mir zu lassen. Bis auf … na … da sind wir wieder bei der Familie. Zum Glück. Ohne meine Frau und meinen Sohn würde ich nirgends hingehen. Sie ohne mich auch nicht. Ohne mit der Wimper zu zucken, würden sie mich begleiten. Meiner Mutter würde es das Herz brechen, wäre ihr Enkel Tausende Kilometer weit entfernt. Sie würden wir natürlich mitnehmen. Aber ob sie alles hinter sich lassen könnte? Und was sollte sie in den USA? — Ich mag solche Gedanken. Ich mag es, im Kopf kreativ und frei zu sein. Ich mag es, zu fantasieren. Aber wie ihr wisst, kommt es ja immer anders als man denkt. Immer. Wie lebt Böhmermann eigentlich? Polizeischutz, klar. Er hat eine Familie. Ich möchte nicht mit Polizeischutz unter ständiger Beobachtung leben müssen. Jedenfalls nicht hier. Mein neues Buch könnte mein ganzes Leben durcheinander werfen. Könnte. Und somit natürlich auch das Leben meiner ganzen Familie. Und meiner wenigen Freunde. Die mich ja in den USA besuchen würden. Wäre ja nett. Es liegt also daran, was draus wird. So sieht es gerade in mir aus. Nicht durchgehend, eher selten, aber immerhin.

Danke, dass ihr mich immer noch begleitet, obwohl ich diesen Blog so wenig pflege. Bis bald, euer Weltschriftsteller   !