Die Wanduhr tickt wieder

Das erste Mariuskonzert in Berlin habe ich verfasst. Nun kommt das zweite, in Ostberlin. Ich denke, dass ich das Skript spätestens in drei Monaten abschicken werde.

Es schneit. Der Schnee bleibt nicht liegen. Ich frage mich, wie ich gerade drauf bin. Die Stimmung passt auf jeden Fall zum Weiterschreiben. Ich bin ausgeglichen, meine Laune ist nicht schlecht. Ich fühle mich ziemlich klar. Dennoch fällt mir das Schreiben nicht leicht. Für einen fiktiven Roman würde meine Fantasie derzeit niemals ausreichen. Seit März 2020 habe ich kein Buch mehr gelesen. Außer Kinderbücher natürlich. Mich erreichen nur wenige Dinge. Zum Glück aber die Liebe zu meiner Frau und meinem Sohn. Da fühle ich ganz viel. Vielleicht wird man im Alter gelassener. Leichter wird das Leben aber gewiss nicht. Jedenfalls ist es zurzeit nicht ganz so einfach. Ich hoffe auf das Jahr 2022, über 2021 würde ich am liebsten rüberspringen. Sonne würde gut tun. Und Wärme. Schon allein ein paar mehr wärmende Gespräche. Inspirierende, hoffnungsvolle Gespräche. Ich wünsche mir, kreativer sein zu können. Falls das Drehbuch verfilmt wird, würde ich gern auf irgendeine Art und Weise mit einbezogen werden. Zum Beispiel bei der Auswahl der Musik. Die passenden Lieder von Marius, Bowie, Marillion usw. zu finden. Ich bin so froh darüber, dieses Jahr genug mit dem Verfassen der beiden Teile zu tun zu haben. Sonst wäre mein Leben um einiges trostloser. Der erste Teil spielt in Berlin, Hannover und Bückeburg. Der zweite in Hannover, Hamburg und vielleicht noch einmal in Berlin, kommt drauf an, wann und wie ich das Ende setze. Ich würde mich jetzt sehr gern mit Marius unterhalten, vielleicht hat er ja Lust drauf, bei dem Film mitzuwirken. Auf jeden Fall brauche ich Ausschnitte seiner Konzerte, sonst ist das Projekt von vornherein zum Scheitern verurteilt. Im zweiten Teil spielt neben Marius Udo eine tragende Rolle. Da der zweite Teil sieben Jahre später ansetzt, ist die Frage, ob man die Protagonisten älter macht oder sieben Jahre wartet. Wenn der zweite Teil geschrieben ist, hat es ja Zeit, ihn zu drehen. Ich weiß, dass interessante Drehbücher gefragt sind. Vielleicht habe ich Glück. Ich schreibe nach der Vorlage eines Original-Tatort-Drehbuchs, also könnte es technisch und handwerklich klappen. Drehbücher sind auf jeden Fall eine Ecke schneller und leichter zu schreiben als Romane. Szene für Szene, fast stichwortmäßig, kommt man dem Ende rasch näher. Man muss die Plots richtig setzen, den Spannungsboden aufbauen und so schreiben, dass man nicht jede Szene vorausahnen kann. Es schneit noch immer. Das Dach meiner Gartenhütte ist von einem weißen Teppich überzogen. Ein paar Vögel schwirren am Fenster vorbei. Es ist ganz still hier im Zimmer, die Wanduhr von 1910 habe ich schon seit Monaten nicht mehr aufgezogen. Sie steht auf zehn vor zehn. Gestern Abend habe ich mir bei einigen Gläschen die Marius-Live nach langer Zeit mal wieder ein Stück angehört. Ist schon sehr abgefahren gewesen damals. Total verrückte Zeit. Krankhaft verrückt. Aber niemals möchte ich jene Zeit missen. Es war mit die schönste meines Lebens. Ich weiß noch, als ich im Herbst 87 durch die Skalitzer Straße gegangen bin, um mir eine Wohnung anzuschauen. Ich habe Berlin regelrecht in mich eingesogen. Das Laub lag auf den Gehwegen, es war kalt, aber sonnig. In jenem Augenblick habe ich mich zum ersten Mal so richtig frei gefühlt. 18 Jahre alt, weit weg von meiner Mutter und meinem Stiefvater, zwischen uns Grenzen und die Mauer. Ich werde die Erinnerung an jenes Freiheitsgefühl niemals vergessen. Es war nicht ein reines Glücksgefühl, schon damals schwang da ein gutes Stück Melancholie mit, aber das wusste ich noch nicht. So, jetzt werde ich mich mit meinem Sohn an seine Hausaufgaben setzen. Vielleicht schreibe ich heut Abend hier im Blog noch ein paar Zeilen. Bis später.

5 Tage später

Inzwischen ist das zweite Mariuskonzert verfasst. Und noch einige Szenen mehr. Es geht gut voran. Die erste Hälfte des Drehbuchs ist im Sack. Wenn es genauso gut weitergeht, bin ich in wenigen Wochen durch. Dann folgt die Feinarbeit, wie Absätze korrekt setzen, Nummerierungen etc. Ein Drehbuch zu schreiben ist wesentlich leichter als ein ganzer Roman. Hier liegen noch zwei alte herum, die zu überarbeiten sind. — Meine Medikamente wurden ein weiteres Mal reduziert, ich habe das Gefühl, noch ein wenig wacher und fitter zu sein. Ob auch wieder mehr Fantasie in meinen Kopf einzieht, kann ich noch nicht sagen. Aber so wie es momentan ist, kann ich gut leben. Das Leben macht mir zum Glück wieder riesigen Spaß. Ich bin aktiv und kreativ, das Grau in mir ist fast ganz verflogen. Bollo bringt mich herzhaft zum Lachen, wie schon seit 35 Jahren immer und immer wieder. Sein spontaner und ausgeprägter Humor ist dermaßen ansteckend, dass wir uns manchmal kaum noch einkriegen. Und das am Telefon! Mit Cupi telefoniere ich nach wie vor jeden Tag. Gestern habe ich verbotenerweise zwei gute Freunde getroffen und mit ihnen einen wundervollen Abend verbracht. Bei Andreas war ich schon länger nicht – das Musikprojekt WAHN liegt mehr oder weniger auf Eis. Dafür schreibe ich zu Dietmars klassischer Gitarre hin und wieder Texte, die ich einspreche. Auch sehr gerne gehe ich meinem Job mit den Senioren nach; geimpft bin ich im übrigen auch schon zweimal. Meiner Frau geht es okay, meinem Sohn sehr gut. Ich schicke den Text jetzt mal ab, damit ihr wisst, was bei mir so los ist. Einen schönen Restsonntag wünscht euch euer

Henning

Die Wanduhr tickt wieder!

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