Ich bin ganz klar. In letzter Zeit. Im Umgang mit meiner psychischen Erkrankung.
Die Schizophrenie habe ich im Laufe der letzten Jahre gut in den Griff bekommen. Die Bipolarität nicht. Der Größenwahn klopft öfter an. Leichte Tiefen begleiten mich immer mal wieder im Alltag. Aus dem Affekt heraus sind im letzten Jahr einige Dinge geschehen, die ich noch reflektieren muss. Zum Beispiel, dass ich Margot Käßmann angeschrieben habe. Oder die BILD. Ein riesiger Fortschritt ist mir gelungen: Ich habs ohne Klinikaufenthalt geschafft. Einige Freunde sind in jener Zeit nicht mit mir klargekommen und haben sich von mir abgewendet – oder ich von ihnen. Solche Erfahrungen macht man als psychisch kranker Mensch sein ganzes Leben lang. Deswegen vereinsamen auch so viele von uns. Deswegen haben auch so viele von uns keinen Partner, auch oft keine Familie mehr. Psychische Krankheiten kann man nicht sehen, jedenfalls meistens. Und man kommt ja auch sehr oft „komisch“ rüber. Gut, dass es Selbsthilfegruppen, Cafés, wo sich Gleichgesinnte treffen, Tagesstätten- und Kliniken, Wohngruppen usw. gibt. Nutzt diese Angebote. Das Wichtigste ist es, sich seine Macken einzugestehen, der heilendste Schlüssel ist die Einsicht. Zusammen können wir was auf die Beine stellen. Zusammen sind wir stark. Ein Team. Vielfach wird auf die Kliniken geschimpft, es ist ja auch so, dass leider nicht gerade viel auf Augenhöhe stattfindet und der „Nutzer“ der Klinik nicht mit in die Fachgespräche einbezogen wird. Auf der Geschlossen passieren noch immer unvorstellbare Dinge, die dem „Normalo“ nicht klar sind. Fixierungen, Zwangsmedikamention, obwohl gerichtlich verboten, Gewalt vom Pflegepersonal. Nach einem Sinn der Psychose wird schon mal gar nicht gefragt und geforscht. Wir müssen uns Gehör verschaffen, wir müssen an die Öffentlichkeit, uns stellen. Die Presse ist aber in den meisten Fällen taub, viel wichtiger für Journalisten sind Gewalt, Fußball und Sensationen. Dabei gibt es in Deutschland 800.000 Menschen, die mindestens einmal im Leben eine Psychose hatten oder gerade haben. Schizophrenie ist eine weit verbreitete Krankheit, über die viel zu wenig aufgeklärt wird. Die Prävention muss schon in der Grundschule beginnen, natürlich müssen alle psychischen Krankheiten bearbeitet werden. Neurosen, Depressionen, Burnout, Borderline, Bipolarität, Panik- und Angstattacken, Schizophrenie, und was es sonst noch so gibt. Ich gehe schon seit meinem zwanzigsten Lebensjahr mit einer ordentlichen Portion Ironie an die Sache, kann man machen, zum Schutz, aber die Ernsthaftigkeit dieser heftigen Diagnose wird mir immer klarer. Ich war im Fernsehn und Radio, habe eine ganze Reihe von Lesungen organisiert, aber ich habe es versäumt, dabei gegen das Stigma anzukämpfen. Nun möchte ich mich auf diesen Weg begeben. Das heißt nicht, dass wir Betroffenen nicht über die eine oder andere Schote lachen dürfen. Es passiert ja im Wahn immer einiges an Irrwitz. Auch im Podcast „Podsau“ war ich auf der Suche nach dem richtigen Stil. Ich meine, ihn nun mit Jean gefunden zu haben. Ich will kein Komiker oder Satiriker sein, ich finde, der Spaß sollte sensibler verpackt werden. Klar tut es gut, zu lachen, man darf und muss lachen, Lachen ist das Gesundeste, das es umsonst gibt, aber um gehört zu werden, ist Ernsthaftigkeit angesagt. Also bin ich ernster geworden. Ich habe Hunderte psychisch kranke Menschen kennengelernt, diese Menschen haben harte Zeiten hinter sich, derzeit, oder vor sich. Nehmt uns ernst. Wir haben eine Stimme, Manchmal auch mehrere. Haha. Ist ja wirklich so. Gründet Selbsthilfegruppen, hört zu, öffnet euch, verschließt nicht eure Seele, nicht euer Herz, schon gar nicht euern Mund. Denkt immer daran, dass die Verrückten am Ende die Welt verrücken. Es ist an der Zeit, das Heft selbst in die Hand zu nehmen. Macht mit. Lasst uns eine Zeitschrift ins Leben rufen. Wer ist dabei? Wer hat Bock drauf? Betroffene, Angehörige, Profis, Experten, Normalos, alle, die mitmachen wollen, können sich bei mir melden. WahnArt soll sie heißen. Fotos, Bilder, Gedichte, Kurzgeschichten, Reportagen, verrückte und aktuelle Artikel und mehr. Ich hab da richtig Lust zu. Ich werde mich an EX IN wenden, mit denen ich zurzeit gut in Kontakt bin. Also, wer mitmachen möchte, los gehts!
Liebe Grüße
Henning
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