Weihnachten

Heiligabend.

Es ist elf Uhr am Abend. Wir sind wieder zu viert. Meine Frau, mein Sohn, ich und die Oma. Entspannung bei einem Gläschen Whisky. Ach, wie ruhig es jetzt ist im Haus. Und hier zu sitzen, am Schreibtisch, vor dem Laptop, meinem Freund, und über die Tasten zu streicheln … Manchmal wird gehackt, manchmal zart gestreichelt – so wie im echten Leben. Ich habe Maler und Lackierer gelernt. Wir hatten Baustellen, da wurde auf Akkord geackert, Fassaden oder Wände in minutenschnelle zugewitscht,  und es gab Baustellen, da wurden die Wände mit feinster Spachtelmasse verwöhnt, Ecken und Kanten rund gespachtelt und so lange geschliffen, bis kein Pickel mehr zu fühlen oder zu sehen war. Zum Abschluss eine Wischtechnik. Was besser war, weiß ich nicht mehr. Beides konnte Spaß machen oder grauenvoll sein, je nachdem, wie man drauf war. Hatte man richtig reingehaun und die Knochen taten einem weh, war man oft befriedigter, als wenn man den ganzen Tag Fenster lackiert hatte. Auch beim Schreiben ist es so oder so. An manchen Tagen reichen ein paar gute Sätze, an anderen schafft man zehn Seiten. Dann weiß man auch nicht unbedingt, was besser war. Auf jeden Fall sollte man befriedigt von seiner Arbeit sein. Egal, was man tut. Ob du auf dem Bau arbeitest oder in einer Autowerkstatt, in einer Fabrik oder im Büro, die Arbeit sollte dich zumindest ein bisschen erfüllen. Du darfst nicht mit schlechter Laune zur Arbeit fahren, dann wirst du krank über kurz oder lang. Oder du hältst bis zur Rente durch und kratzt dann ab, weil dir die Aufregung fehlt. Prost. Manch einem liegt die Arbeit, bei der man hinterher etwas sieht. Ein Maurer baut ein Haus, ein Dachdecker deckt ein Dach, ein Künstler malt ein Bild. Man hat ein Ergebnis und kann stolz drauf sein, wenn es gelungen ist. Im Büro, wenn man nicht gerade Architekt oder Grafik-Designer ist, sondern den ganzen Tag Zahlen in den Computer haut, bleibt meistens nichts, worüber man sich freuen kann. Es sei denn, man hat viel Geld auf dem eigenen Konto und war den ganzen Tag per Online-Banking damit beschäftigt. Das kann meinetwegen auch befriedigen. Ist auch egal. Udo sagt, sein Konto sei so voll, da passe nichts mehr drauf. Ich habe heute ein Udo Lindenberg-Buch geschenkt bekommen. Ein wundervolles Geschenk. Ich liebe Udo. Er singt, er macht sein Ding. Ja, das kann man ihm abnehmen. Er hat Ahnung von seinem Geschäft. Wie ist er wohl drauf, wenn er so ganz allein in seiner Hotelsuite rumhängt, nüchtern inzwischen? Gerne würde ich mit ihm im Raucherraum im Hotel Atlantic einmal Zigarre rauchen, Tee trinken und über dies und das reden. Kein Small Talk, dafür ist die Zeit zu schade. Es muss um eine große Idee gehen. Es muss darum gehen, wie man etwas für die Erde und die Menschen tun kann. Etwas ganz, ganz Großes. Eine konkrete Idee habe ich nicht, ich habe nicht die Mittel, habe nicht die Energie zurzeit. Klar, ich kann im Kleinen etwas tun. Hier und da eine Spende oder ein hilfreiches Wort an jemanden richten, dem es nicht gutgeht. Aber das bringt nichts, um den Hunger und den Durst, die Armut zu besiegen. Da muss was Großes her. Wir Künstler sollten uns vereinen, den Künstler-Indianer-Stamm gründen, die EFP, die Erste Friedenspartei, oder die LFP, die Letzte Friedenspartei, ins Leben rufen.

Weihnachtstag 1

Guten Abend. Jetzt, um 20.30, bin ich noch stocknüchtern. Der Tag heut war krass. Ich habe gestern nacht um 3 noch das Zusatzmedikament Atosil eingeworfen, weil ich nicht in den Schlaf fand. Ein etwas leichteres Neuroleptikum. Es war nicht leicht, weil ich die Dosis zu hoch angesetzt hatte. Bis 17 Uhr kam ich nicht durch, habe den ganzen Tag im Delirium verbracht. Konnte mich kaum bewegen. Meine Frau stand von morgens bis abends in der Küche, mein Sohn hat mit den neuen Spielsachen zu tun gehabt. Jetzt gehts wieder. Wahrscheinlich würde mir Atosil in einer vernünftigen Dosis zurzeit ganz guttun. Ich muss zur Ruhe finden, meine Gedanken spielen im Kopf Ping Pong. Dazu fühle ich mich körperlich ziemlich schwach. Die schlechte Laune dazu. Die Unzufriedenheit. Schnell werden mir leichte Dinge zu schwer. Aber eines ist klar: Nehme ich Atosil, wird meine Fanatsie darunter leiden. Aber vielleicht kann ich mich ja dann länger auf eine Sache konzentrieren. Ich werde es versuchen. Für den Roman, der in Arbeit ist, brauche ich nicht mehr viel Fantasie, er ist ja bereits vorgschrieben. Es wäre ein Traum, mal wieder 3 bis 4 Stunden am Stück arbeiten zu können.

Mehr möchte ich heute nicht schreiben. Lieber genieße ich den Abend mit meiner Frau   !

Weihnachtstag 2

Jetzt ist Weihnachten fast vorbei. Ich merke, wie leer mich das Atosil macht. Einerseits entspannt es mich, weil ich nicht so viel denke, anderseits bin ich angespannter, weil es mir die Kreativität nimmt. Es wäre zu schade, wenn mir plötzlich nichts mehr für den Blog einfällt. Schließlich will ich euch unterhalten, und zwar möglichst mein ganzes Leben lang. Ihr sollt daran teilhaben, wie die Verlage meine Manuskripte ablehnen, ihr sollt daran teilhaben, wie ich Miliionenfach Bücher verkaufe. Größenwahn – es ist herrlich, ihn zu besitzen. Aber nur, wenn man mit dem wirklichen Leben einigermaßen zurecht kommt. Sonst geht man als Größenwahnsinniger unter. Es sei denn, man schafft es, seinen Größenwahn auszuleben. Viele Künstler mussten eine Spur größenwahnsinnig sein, sie mussten an ihr Ziel glauben und den Weg bis dahin über viele Stolpersteine zurücklegen. Für Udo war mit 13 Jahren klar, dass er Rockstar wird. Ich glaube seit meinem 20. Lebensjahr daran, der meistgelesene Autor der Welt zu werden. Mir ist egal, was andere darüber denken, denn genau dieser Gedanke lässt mich hoffen, glauben und weiterarbeiten. Natürlich muss ich so langsam etwas vorweisen. Drei Bücher könnt ihr von mir lesen, ein weiteres ist bald fertig. Dann schnell das nächste. Und ich habe ein Skript hier liegen, das wartet nur darauf, überarbeitet zu werden, um in der großen, weiten Welt seine Leser zu finden. Es gibt perfekte Bücher. Z.B. „Der Alchimist“ von Paulo Coelho. „Siddhartha“ von Hermann Hesse. „Hektors Reisen“ von wem weiß ich. Das sind drei Bücher ohne Ecken und Kanten. Meine Bücher haben Ecken und Kanten, und das können sie auch. Welches Leben ist schon perfekt? Meins jedenfalls nicht. Im Internet findet ihr eine freundlich geschriebene Kritik über „Im Wahn der Zeichen“, die besagt, dass das Buch zu sehr ins Detail geht, sich zu viel wiederholt, nicht sehr gut geschrieben ist. Zu sehr ins Detail, mag sein, genau das hat auch schon ein Lektor gesagt. Aber soll ich deswegen das ganze Buch umschreiben, es kürzen, vielleicht sogar aus der Geschichte eine andere machen? Kann ich nicht. Ich habe alles gegeben, was ich draufhatte. Entweder man mag es so wie es ist oder eben nicht. Keiner wird gezwungen, dass Buch durchzulesen. Man kann es jederzeit in einem Bücherschrank verschwinden lassen. Der Paranus-Verlag zeigte Interesse, „Im Wahn der Zeichen“ zu veröffentlichen. Allerdings sollte ich über 200 Seiten streichen. Ich hab’s versucht. Ich hab’s sogar getan. Und doch war es ihnen noch zu detailreich. Ich würde es nie wieder in diesem Ausmaß kürzen. Und dann? Dann lässt es sich trotzdem nicht verkaufen. Thomas Melles „Die Welt im Rücken“ wurde von der ZEIT und vom SPIEGEL hoch gelobt und wurde trotzdem nicht zum Bestseller. Oder doch? Ganz sicher bin ich mir nicht. Ich habe das Buch verschlungen und Melle meines zugeschickt. Wir haben ein paar ähnliche Dinge erlebt. Allerdings darf er keinen Blog mehr schreiben, weil er sich zu sehr in den Text hineinsteigert und dieser Weg, an die Leute heranzutreten, eine Psychose bei ihm auslösen kann. Mal sehen, ob ihr im Laufe der nächsten Jahre eine Psychose von mir miterlebt. Wer weiß, wie lange ich Lust habe, dranzubleiben. Mein Leben besteht oft aus Phasen. Jetzt gehört die Blog-Phase gerade dazu.

Ich bin euch dankbar, dass ihr mich lest! Genießt die Woche   .

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