Noch ein paar Sätze am Abend. Noch ein paar Gedanken, die mich treiben. Noch ein Gläschen Rum, und auch noch ein paar Zigaretten. Der Himmel ist inzwischen dunkelblau. Ich sitze auf meiner Terrasse und zehre von den letzten Tagen, die ich in der Schweiz verbracht habe. Mir hat es dort so gut gefallen, dass ich im Oktober noch einmal hinfahren werde. Jeden Abend bin ich in den Thunersee gesprungen. Jeden Tag bin ich gewandert oder zumindest spazieren gegangen. Bern ist eine wunderschöne Stadt. Thun ist eine wunderschöne Stadt. Ich war auf dem Niesen, der 2400 Meter hoch ist. Das Wetter war all die Tage herrlich. Eigentlich wollte ich in der Schweiz schreiben. Leider habe ich das Kabel für meinen Laptop zu Hause vergessen. Also sind es nur ein paar Gedichte auf Papier geworden. Schön und gesund ist es, wenn man sich nicht lange ärgert und das Beste aus der Situation macht. Wenn ich mich ärgere, ärgere ich mich nie sehr lange. Ich bin auch nicht nachtragend. Ich kann mich entschuldigen. Ich sehe ein, Fehler gemacht zu haben. Ich kann bereuen. Ich kann, wenn ich will, beten. Ich bete kaum noch.
Geht es dir gut? Mir schon. Vielleicht nicht so richtig gut, aber gut genug. Allerdings bin ich nicht so richtig zufrieden. Richtig zufrieden nicht, aber fast schon glücklich. In bestimmten Augenblicken. So wie jetzt. Es sind die vielen Kleinigkeiten, die mich belasten. Dass ich nicht von meiner Schreiberei leben kann, habe ich weitgehend akzeptiert. Naja. Was heißt schon weitgehend? Vielleicht werde ich es nie ganz und gar akzeptieren. Sonst würde ich ja nicht immer und immer wieder Lesungen machen und berühmte Künstler anschreiben. Es glüht noch immer der Funke Hoffnung in mir. Vielleicht glüht er bis zum Tod weiter. Zum Schluss wird er für meinen Sohn glühen. Schließlich bin ich schuld, dass er die ganze Scheiße, die auf ihn zukommen wird, miterleben muss. Also bin ich auch verantwortlich, dass er sich immer Brot und Wasser leisten kann. Ich bin derjenige, der ihn zu sehr verwöhnt. Vielleicht sollte ich doch wieder anfangen zu beten. Für ihn. Für mich trinke ich noch ein Gläschen. Prost. Meine Lunge ruft schon wieder nach dem nächsten Kick. Jetzt ist der Himmel schwarz. Zum Glück sehe ich meine Lunge nicht, sondern nur den schwarzen Himmel. Okay. Eine letzte Zigarette für heute Abend. Der Wecker klingelt, wie immer, um Viertel vor sechs. Der Urlaub ist vorbei, morgen geht es wieder los. Ich wünsche euch eine gute Nacht. Bis bald
Henning