Die Poesie ist mir abhanden gekommen, vor allem morgens, wenn die Medikamente vom Abend noch nachwirken. Sie legen einen Schleier um mich, ich muss mich im Laufe des Tages durchtasten, den Nebel beiseite schieben, meinen Füßen und Händen folgen. Nach und nach blicke ich dann durch, sehe klarer, verstehe mehr Zusammenhänge. Ich bin derzeit dabei, mir eine gesunde Struktur aufzubauen – ein ewiges Thema für psychisch kranke Menschen. Ein wichtiges Thema auch für Menschen, die arbeitslos sind und nicht wissen, was mit ihrer Zeit anzufangen ist. Mein Problem liegt darin, dass ich mir meistens zu viel vornehme, für mich ist es wichtig, Ruhepausen in den Tagesplan einzubauen. Ruhe bedeutet, nicht zu telefonieren, nicht zu lesen, einfach die Gedanken treiben lassen, sie vielleicht beobachten und zuhören, was sie dir sagen oder sogar anbieten wollen. Gedanken bieten an. Sie machen dir Angebote. Erhascht du einen guten Gedanken, der dich angenhem tagträumen lässt, arbeite mit ihm, bau drauf auf, schick ihn vor, geh ihm nach. Setz dir Ziele. Stelle sie dir bildlich vor. Und schon bist du auf dem Weg. Glaub daran. Auch wenn es schwerfällt, zweifele nicht so oft, denn wenn du ein Ziel hast, womit du keinen Schaden anrichtest, wirst du Hilfe erfahren. Du wirst Menschen auf deinem Weg begegnen, die dich bereichern, die dich unterstützen, die dich gern unterstützen, ohne selbst profitieren zu wollen. Halt Ohren und Augen auf. Öffne dein Herz. Öffne deine Seele, lass sie sprechen. In Liedern spricht die Seele. In Gedichten. Schau in die Natur, denk daran, dass gerade dieses Bild um dich herum nur für dich erschaffen ist, nur für dich. Weil du einmalig bist. Weil das Bild einmalig ist. Die Natur ist sekündlich einmalig, genau wie deine Gedanken. Sie sind immer wieder einen Tick anders. Du fühlst jede Sekunde neu. Versuch, dir treu zu bleiben. Ich werde immer fetter, fresse mich voll, trinke zu viel, rauche zu viel. Ich weiß. Gehe zu wenig. Fahre zu wenig mit dem Fahrrad. Ich nutze meine Zeit nicht optimal. Erledige zu viel unter Druck. Mache mir nur selbst den Druck.
Jean und ich wollen nach Monaten endlich wieder eine Podsau aufnehmen – am Samstag. Ich bin gespannt, ob es klappt. Ich denk, ich bin bereit. Es gibt viel zu erzählen. www.podsau.com
Es ist jetzt 22 Uhr 07, eigentlich noch recht früh. Aber spät, wenn man morgens um sechs aufstehen muss. Mein Tag- und Nachtrhythmus hat sich weitgehend beruhigt, gegen zehn lege ich mich hin, gegen fünf stehe ich auf. Meine Träume sind fein, kein Horror, nichts, was mich erschreckt. Seit 5 Tagen gehts mir wieder gut. Es war kaum auszuhalten – ich selbst habe mich kaum ausgehalten. Hier ist es ganz ruhig. Kein Auto ist von unten zu hören. Kein Windchen weht. Das Zirpen der Grillen scheint auch vorbei zu sein, der Herbst ist angekommen. Nicht einmal die Mäuse fiepen. Nur das Pochen der Tasten. Kein Klackern auf dieser Tastatur, weiche Anschläge, krumme Haltung, mein Nacken schmerzt.
Ruhe.
Der Zug an der Zigarre, das Ausblasen den Rauchs, der vom Lichtschein in die Dunkelheit getragen wird, um sich dort zu verteilen und zu verflüchtigen. Ein angenehmer Geschmack im Mund, dazu der warme Tee, der das Herbe weich abrundet. Poesie. Ein Husten der Nachbarin. Der Nacken. Doch da – eine Maus. Besser als eine Ratte, die ich hier auch schon rumflitzen sah. Sie lässt sich lieber nicht von meinem Kater erwischen, der jetzt gerade unterwegs ist, um morgenfrüh wieder vor der Tür zu stehen, um gefüttert zu werden.
Ich mach jetzt Schluss, rauche in Ruhe auf, die Müdigkeit wird schnell kommen, wenn ich innerlich zur Stille finde.
Gute Nacht!