Ein Zauber

Fröhliche Weihnachten.

Ich überarbeite gerade den Roman „weg – die kleine Trilogie“. So ganz zufrieden bin ich mit dem zweiten Teil nicht. Hingegen empfinde ich den ersten Teil als gelungen. Im zweiten Teil gefällt mir der Schreibstil nicht so gut. Er erscheint mir zu gewollt und nicht gekonnt. 2015 habe ich noch ganz anders geschrieben als heute. Und 2029 schreibe ich auch wieder ganz anders – falls ich dann noch lebe. Also belasse ich den zweiten Teil so wie er ist und korrigiere nur die Rechtschreibfehler. Ich bin auf den dritten Teil gespannt, der mir am leichtesten von der Hand ging. Es sollen ja drei Bände werden. Das heißt, drei Trilogien insgesamt, also neun Teile. So jedenfalls seit Jahren schon mein Plan. Wie ich schon oft geschrieben habe, kann ich nur gerade das zu Papier bringen, was mich augenblicklich beschäftigt. Ich wäre der schlechteste Auftragsschreiber, den man sich vorstellen kann. BLOCK zu verfassen war ein echter Kampf und Krampf. Nun habe ich Lust etwas Neues zu beginnen. Die Lust allein reicht natürlich nicht. Es gehören Ruhe, Disziplin, Geduld und Ausdauer dazu. Und vor allem Zeit. Viel Zeit. Vielleicht wieder Jahre. Leider fällt mir das Schreiben von Jahr zu Jahr schwerer. Ich glaube ganz fest, dass dies mit den Medikamenten zusammenhängt, die meine Fantasie trüben. Ich bin ja froh drum, dass ich überhaupt noch ein wenig davon besitze. Zudem habe ich festgestellt, dass der Humor im Alter weniger wird. Man wird ernster. Nachdenklicher sowieso. Die Schlagfertigkeit geht ebenfalls zurück. Selbstverständlich kommt es immer darauf an, mit wem man gerade zusammen ist. Und dazu kommt, dass ich derzeit ziemlich müde bin. Vieles fällt mir nicht mehr so leicht wie früher. Der Elan fehlt. Die Kraft. Nur noch selten brenne ich richtig für ein Projekt. Liegt es einfach daran, dass man mit der Zeit gelassener wird? Weil einem vieles nicht mehr so wichtig ist? Dass man sich selbst nicht mehr so wichtig nimmt? Mein Gott, ich tue ja so, als sei ich schon neunzig. Angeblich ist man ja immer so alt, wie man sich fühlt. Wie fühle ich mich? Schwer zu sagen. Heute etwas traurig auf jeden Fall. Und kraftlos. Lust zu schreiben habe ich schon noch. Nur leider keine Zeit mehr. Vielleicht klappt es heute Abend noch ein, zwei Stunden. Bis denne.

Da bin ich wieder. Es ist ganz still in meinem kleinen Zimmer. Ich schenke mir ein Gläschen Rum ein, überlege, was ich schreiben kann – oder warte einfach wieder einmal auf Worte. Sie kommen von allein. Es ist so, als müsste ich nur mit meinen Fingern die Tasten bedienen. Schön wäre es, wenn es beim Romaneschreiben genauso einfach gehen würde. Einen Roman trage ich mit mir wie einen schweren Rucksack herum. Über Wochen, Monate und Jahre. Zwischenzeitlich wird gehadert, gezweifelt, aufgegeben und dann doch weitergemacht. Schon lange habe ich kein Gedicht mehr geschrieben. Jedenfalls keinen Text, der sich reimt. Wie ihr wisst, finde ich, dass Gedichte zu verfassen die ehrlichste Form des Schreibens ist. Sie scheinen oftmals direkt vom Himmel zu fallen. Wenn ich Jahre später ein Gedicht von mir lese, frage ich mich manchmal, ob wirklich ich der Autor gewesen bin. Teilweise bin ich echt überrascht. Heute Abend fühle ich mich klar und ausgeruht. Im Haus ist es still – alle schlafen. Auch mein Kater, Anton. Diese Zeit der Stille, diese Zeit mit mir allein, genieße ich zutiefst. Ich brauche keine Musik. Ich brauche keine Gespräche. Ich brauche einen Tropfen Alkohol und meine Tastatur. Manchmal eine Zigarette. Der Rum brennt leicht in der Speiseröhre. Die Kippe verleiht meiner Lunge den nötigen Kick. Ach, es ist zu schön in diesem Augenblick. Mir kommt es gerade gar nicht so darauf an, was ich schreibe. Nur dass ich es tue. Ich sehe es als Training. Ein Gitarrist muss auch jeden Tag seine Übungen machen, wenn er perfekt spielen will. Jeden seiner Verspieler kennt er genau. Natürlich bin ich noch lange kein perfekter Schreiber – deswegen übe ich ja täglich. Ganz vielleicht schreibe ich ja eines Tages das perfekte Buch. Heute Abend fühle ich mich ein klein wenig so. Würde ich mich doch immer so fühlen. In meinem Zimmer ist die Temperatur anscheinend perfekt. Mein Zustand schein perfekt. Alles um mich herum scheint perfekt. Ich fühle mich frei und ausgeglichen. Ich streichele mir über den Bart, streiche mein Haar zurück, nippe vom Rum – und warte immer ein paar Sekunden. Ich möchte gar nicht aufhören zu tippen. Doch bevor ich mich an die zweite Trilogie setze, will ich die erste erst komplett überarbeitet haben. So richtig weiß ich gar nicht, warum ich das Bedürfnis verspüre, euch jeden Tag zu schreiben. Mich mitzuteilen. Ist es die Freude, dass ich weiß, dass es stets ein paar Leserinnen gibt? Durchaus möglich. Ist es Geltungsbedürfnis? Ist es Sucht? Nehme ich mich noch immer zu wichtig? Wahrscheinlich schon. Diesen Blog gibt es nun seit sechs Jahren. In den letzten sechs Jahren habe ich weit über fünfhundert Beiträge verfasst. Einige davon hätte ich mir auf jeden Fall sparen können. Vielleicht sollen. Vielleicht müssen. Doch ist es immer noch wie ein Zauber, hier zu sitzen und euch meine Gefühle, meine Ideen, meinen Kummer und meine Freude mitzuteilen. Ich erwarte es von mir selbst. Und verstehe es trotzdem nicht so ganz. Warum tue ich es?

Ich wünsche euch alles erdenklich Gute und verbleibe mit freundlichsten Grüßen

Henning

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