Ein paar Zeilen am Morgen. Die Wolken hängen tief. Der Wind weht lasch. Lange habe ich nichts von mir lesen lassen. Ich fühle mich okay. Ganz gut eigentlich. Eigentlich. Die Spatzen schlagen sich ihre Bäuche voll. Manch ein Mensch ist gerade traurig, ein anderer zufrieden, gar glücklich. Ich weiß nicht, was ich schreiben soll. Ich soll ja auch nicht. Ich kann. Wenn etwas kommt. Du kannst dir nicht aussuchen, wie du gerade kreativ sein kannst. Die Kunst ist ein Zauber. Ich jedenfalls kann nur das schreiben, was mich beschäftigt. In diesem Augenblick herrscht Leere in mir. Denn das, was mich wirklich beschäftigt, gehört hier nicht her – es ist gerade woanders. Das alles ist viel zu persönlich. Die Sonne kommt raus. Sie berührt meine Seele. Jedoch nicht nur die Sonne. Vielmehr sind es ein paar wenige Menschen, die meine Seele berühren, sie vereinnahmen. Im Positiven. Ich freue mich, dass sie mir ihr Vertrauen schenken. Auch ich vertraue mich ihnen an. Vertrauen baut sich gegenseitig auf. Das Leben bleibt ein ewiger Lernprozess. Im Alter behält man mehr für sich. Vielleicht wird die Seele mit jedem Tag ein Stückchen stiller. Vielleicht. Ich liebe das Leben. Ich liebe mein Leben, unser Leben, das Leben mit meiner kleinen Familie. Ich liebe die heile Natur. Liebe ist ein so kleines und doch so großes Wort. Wahre Liebe spürt man zu jeder Zeit. Ich lächele. Ich lächele vor mich hin. Wie gut das tut, zu lächeln. Leicht geschwungene Lippen. Gerade fliegt ein Bussard da oben unter dem hellgrauen Himmelsdach. Zwei weiße Schmetterlinge flatterten soeben an meinem Fenster vorbei. Nun lässt sich der Raubvogel aus der anderen Richtung treiben – von Norden. Rote, grüne, goldene, braune und gelbe Blätter an Sträuchern und Bäumen. Der Blick aus meinem Fenster. Die Wanduhr von 1910 steht still. Es ist 12 Uhr 30. Die Wolken ziehen langsam nach Nordosten. Die Wanduhr ist leider kaputt. Sie steht auf Viertel nach elf. Ich könnte ihre Zeiger auch auf fünf Minuten nach zwölf drehen. Oder auf fünf vor zwölf. Auf eine x-beliebige Uhrzeit. Mein Kater ist alt geworden, er schafft es kaum noch auf meinen Schoß zu springen. Ich hebe ihn hinauf und kraule ihn durch. Er liebt mich. Ich habe ihn aus dem Tierheim befreit. Er dankt es mir. Bis mindestens zum April 2022 werde ich weiterhin an meinen Briefen schreiben. Dieses Jahr im April habe ich damit begonnen. Die Empfänger*innen haben zwischenzeitlich gewechselt. Das Schreiben habe ich schon immer als sicheres Ventil genutzt. Es befreit mich. Es macht mich leer. Das Grübeln hört auf. Neue Gedanken entstehen. Danke, dass ihr mich lest.
Herzlich
Henning