Der Frühling ist da

Ein paar Worte. Ein paar Sätze. Bestimmt nichts Außergewöhnliches. Eine Obstfliege sitzt auf dem Monitor. Die grauen Wolken ziehen nach Südosten. Die Sonne linst durch. Zumindest ab und zu. Gelegentlich zischt der Wind durch die Sträucher. So war die Welt heute am Nachmittag. Sieben Stunden später sitze ich wieder am Laptop. Es ist 22 Uhr. Ein Gläschen Rum. Die Flamme flackert. In mir nicht die Spur von Fantasie. Wie ausgelöscht. Damit geht es mir gar nicht so schlecht. Schade ist es schon, sich nach über 50 Jahren von ihr zu lösen. Von meiner besten Freundin. Trotzdem geht es mir nicht schlecht. Ich weiß, dass der Stillstand im Hirn durch die Medikamente verursacht wird. Die Tagträume, von denen ich Jahrzehnte lang gezerrt habe, sind wie weggeblasen. Dank ihnen bin ich noch am Leben. Dank ihnen hat sich das Leben 50 Jahre lang gelohnt. Was ist normal? Ich habe finstere Jahre hinter mir. Viele Monate der Hoffnungslosigkeit. Nichts als Leere, Leere, Leere. Ich habe bunte Jahre hinter mir. Viele Monate der Fülle, Fülle, Fülle. Monate des absoluten Glücks. Jahrzehnte der Hoffnung. Immer und immer wieder. Ich bin so froh drum, auch wenn ich keinen Roman mehr verfassen kann, dass mir diese Zeilen im Blog glücken. Ich hoffe doch sehr, dass sie mir glücken. Wer weiß, vielleicht kommt eines Tages (ganz unverhofft) die Fantasie wieder zurück. Wie eine Sternschnuppe, die vom Himmel fällt. Ist 53 jung? Ist 53 alt? Der Mittelpunkt ist überschritten. Wahrscheinlich hat das letzte Drittel begonnen. Ich werde ewig mit Schwankungen zu tun haben. Vielleicht aber bleiben sie zwischen 4 und 6. Damit, so denke ich momentan, kann ich gut leben. Die Sehnsucht, unbedingt ein großes Ding schreiben zu müssen, ist in den Hintergrund geraten. Was gar nicht mal schlecht ist. Meine Freunde und Freundinnen bleiben mir auch ohne einen Bestseller erhalten. Gerne hätte ich eine Firma gegründet, in welcher sie alle einen Platz eingenommen hätten. Den Abschied habe ich angenommen. Sagen wir, ich bin dabei. Es sind kleine Schritte. Es ist ein Prozess. Ein Abschied, der nur bedingt wehtut. Ein ganz klein wenig. Schließlich findet er nur in meinem Kopf statt. Mein Herz ist in Ordnung. Die Freude am Leben ist wichtiger. Die Freunde sind wichtiger. Und natürlich die kleinen Dinge, über die man sich freuen kann. Kleine Dinge können erfüllen. Kleine Dinge können das Herz voll machen. Ein Lächeln. Ein kleines Geschenk. Eine Blume. Die große Natur, die wir Tag für Tag betrachten und aufsaugen dürfen. Ich kann sehen. Hören. Fühlen. Schmecken. Was für ein Geschenk. Ein Geschenk, welches einem Wunder gleicht. Lieben zu können. Liebe geben und nehmen zu können. Danke. Ein größeres Gefühl, als Liebe zu spüren, ist schwer vorstellbar. Liebe kann verrückt machen. Liebe kann krank machen. In der Liebe geschehen Morde und Selbstmorde. Liebe macht blind. Manchmal ist es gut so. Manchmal ist die Liebe zerstörend. In einer Psychose sich zu verlieben kann bedeuten, dass du die Kontrolle über dich verlierst. Du wirst zum Stalker und hattest es nie vor. Und hinterher tut es dir leid. Du hast das Ding versiebt. Du hast Menschen verloren, die du geliebt hast. Du hast Menschen verloren, die heute deine Freunde sein könnten. Es ist zu schade, wenn es so kommt. Du verbreitest Angst. Du nervst. Ach ja. Mit jeder Psychose lernst du dazu. Jede Depression wird zu einem Meilenstein. Jede psychische Krise schenkt dir Lebenserfahrung. Komm schon, alter Junge, bemitleide dich nicht selbst. Das ist nicht dein Stil. Selbstmitleid hat keine Klasse. Du träumst noch von den Damen. Ja, sie könnten die besten Freundinnen sein. Aber was kannst du dafür, wenn du dich verliebst? In diese wunderschönen Frauen. Es kann jederzeit passieren. Du liebst deine Frau. Du liebst dein Kind. Du tust alles für sie. Du willst dich nicht verlieben. Einschließen wirst du dich aber auch nicht. Du brauchst deine Freiheit. Dich sperrt man nicht ein wie einen Vogel in den goldenen Käfig. Deine Frau öffnet dir sogar noch die Tür, damit du fliegen kannst. Du würdest durchdrehen, würde sie dich Tag und Nacht einsperren. Sie weiß es. Sie vertraut dir. Sie muss dir vertrauen können. Schweres Thema. Leichte Worte. Leicht zu schreiben. Nein, ich bin nicht verliebt. Verknallt. Verschossen. Jedenfalls nicht in eine Person. In die Rotkehlchen, Rotschwänzchen, in die kleinen süßen Meisen, in die Spatzen und Buchfinken schon. In den Wind. In die Wolken. Dies alles zu sehen und zu spüren, welch ein Genuss! Der Frühling ist da! Genießen wir ihn.

Wieder ist eine Nacht vorüber. Es ist halb zwei mittags. Die Zeit vergeht viel zu schnell. Sie rennt. Meine Laune ist gut. Leicht gehoben. Freudig erregt. Ich hoffe so sehr, dass mir meine Psyche in den nächsten Monaten nicht wieder irgendwelche Streiche spielt. Ich hoffe so sehr, dass ich stabil bleibe. Eben auf der Skala von 0 bis 10 zwischen 4 und 6. Derzeit kann ich gut und gern auf die Fantasie verzichten. Ich habe andere Pläne, worüber ich jedoch gerade nicht schreiben will. Gerne verzichte ich dafür für eine ungewisse Zeit aufs Verfassen von Romanen. Ich verrate aber so viel, dass ich mit meinen Händen arbeiten werde. Es ist eine schöne Geschichte, die sich entwickeln könnte. Ja, könnte. Wenn ich gesund bleibe. Wenn ich psychisch in keine Krise gerate. Ich kann es nicht voraussehen. Auf jeden Fall habe ich riesige Lust drauf. Immerhin habe ich einst sechs Jahre lang (von 2006 bis 2012) in einer Buchbinderei gearbeitet. Mit viel Freude und Engagement. Seit vier Jahren arbeite ich in der Tagespflege, bin nur sehr selten krank gewesen, habe nie verschlafen, war stets zuverlässig. Mit 50 wollte ich ja, wie ihr wisst, meine Familie durch die Schreiberei ernähren können. Hat nicht geklappt. Nun bricht ein neues Kapitel an. Ich habe Lust drauf noch einmal neu durchzustarten. Gemeinsam mit einem Freund. Wenn möglich ohne großen Druck. Mit Freude. Nicht nur die Psyche, auch der Körper muss mitspielen. Ich brauche mir gar nichts auf meine Schreiberei einzubilden. Selbst wenn doch noch ein Verlag anbeißt, werde ich das neue Kapitel beginnen. Das Kapitel, das nichts, aber auch gar nichts mit dem Verfassen von Worten zu tun hat. Bestimmt werde ich zwischendurch kotzen und fluchen. Schmerzen spüren. Kaputt sein. Doch wenn man dann am Ende des Tages sieht was man geschafft hat, oder auch erst nach Wochen, gar Monaten, kann dies sehr erfüllend und erhellend sein. Nun habe ich doch mehr verraten, als ich eigentlich wollte.

Ich wünsche euch einen schönen Sonntag

Henning

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