Du kannst nichts mitnehmen / Freunde

Freitagabend

Da bin ich wieder. Fast nüchtern. Fast. Die Kerze brennt, die Uhr tickt, das Weinglas, die Musik … lala … Angenehme Stimmung hier drinnen in meinem Zimmer. Warm. Gemütlich. Morgen die Lesung beim Platzprojekt in Linden. Ich bin gut vorbereitet, freue mich drauf. Kurzgeschichten und Jack-Gedichte. Danach vielleicht noch ins Havana, auf ne Cigar. Aber wer weiß. — Eigentlich gehts mir momentan ganz gut. Ich mache mir keinen Druck, was das Schreiben angeht. Das Zeitfenster ist noch bis August, September offen, dann sollte „Im Wahn der Zeichen“ als Taschenbuch erschienen sein. Ich werde meine ganzen Sachen nach und nach bei neobooks veröffentlichen. Vielleicht nächste Woche schon „weg“. Und „Weltbestseller“. „Mucho Guscho“ wird auch nicht mehr lange auf sich warten lassen. Nur noch einmal will ich das Ding durchackern. Zurzeit bin ich mit der Renovierung von Uromas Haus beschäftigt, ich denke, dass wird noch bis Mai andauern. Dann kommt hoffentlich die Kur, die ich beantragt habe, die abgelehnt wurde, ich habe Widerspruch eingelegt. Wie ihr seht, ist immer was los. Immer was Neues. Mein Sohn kommt in diesem Jahr zur Schule, es wird spannend. Er weiß nicht, ob er sich freuen soll. Na ja, meine Mutter sagt, ich habe mich überhaupt nicht auf die Schule gefreut. Ich bin tatsächlich nie gern hingegangen, viel lieber habe ich gespielt und Mist gebaut. Schule war Zwang. Man musste, es war Pflicht. Hm … Geschwänzt habe ich in den ersten Jahren aber nicht. Das kam erst in der Berufsschule. Man war eingeschüchtert, hat sich kaum getraut gegen die Lehrer den Mund aufzumachen. Was die Lehrer gesagt haben, war Gesetz. Diskutiert wurde nicht. Zuhause auch nicht. Es war wie es war. Nichts dazwischen. Ja oder nein. Geschreie. Hysterie. Rechts und links. Was solls. Längst vergessen. Wirklich? Nein, man vergisst nicht. Man schleppt alles durchs ganze Leben. Wie einen Sack auf dem Rücken. Er wird manchmal vielleicht etwas leichter, dann kommt aber wieder und wieder neuer Balast hinzu. Los wirst du ihn nie. Und wenn du tot bist? Dann wahrscheinlich bist du frei. Hoffentlich. Weiß man auch nicht so genau. Fegefeuer und der ganze Salat. Hm. Woran glaubst du? An Reinkarnation? An das Paradies? Etwa an die Hölle auf ewig? Keiner weiß es wirklich von den Lebenden. Jaja, klar, du schon. Ja klar. Wenn nicht du, wer dann? Mitnehmen kannst du eh nichts. Das Haus bleibt hinter dir zurück. Selbst dein Mantel, den du eben noch getragen hast. Ich mache jetzt Schluss. Bis bald   !

Montagabend

Die Lesung war okay, die Cigar danach im Havana erhellend. Mir hat der Abend gefallen. Ist aber auch anstrengend, für mich jedenfalls. — Ich möchte ein paar Sätze zu dem Thema „Freunde“ schreiben. Mit dem Alter werden es weniger. In der Jugend können es ne Menge sein, aber meistens sind es nur Kumpels, Freunde kristallisieren sich im Laufe des Lebens heraus. Jeder geht seinen Weg, im Erwachsenenalter entscheidet man sich für eine Richtung. Der eine geht links rum, der andere rechts, der dritte geradeaus, der vierte zurück, wenn es schlecht läuft. Der fünfte bleibt stehen, man hat jedenfalls öfter mal das Gefühl. Der eine lernt dazu, der andere nicht. Vieles wiederholt sich, trotzdem ist jeden Tag wieder alles neu. Und du selbst gehst natürlich auch deinen ganz persönlichen Weg. Bildest im besten Fall eine eigene Meinung. Bist überzeugt, und doch solltest du offen bleiben, zuhören. Nicht gleich eine Freundschaft an den Nagel hängen, nur weil der andere anderer Meinung ist. Vielleicht sollte man unter Freunden nicht zu politisch werden. Klar will ich nichts mit einem Nazi zu tun haben. Versteht sich von selbst. Auf jeden Fall sollte man nicht so oft Vorurteile haben. Da fasse ich mir gerade an die eigene Nase. Dennoch standhaft bleiben. Die Nase nicht mit dem Wind drehen. Dann lieber gegen den Strom schwimmen, es zumindest versuchen. Paddeln. Immer wieder auftauchen. Ich hatte mir ja vorgenommen, diesen Blog nicht zu politisieren, also versuche ich es auch zu lassen. Ihr kennt meine Meinung. Aber ehrlich mal: Man kann doch gar nicht seine Fresse halten! Zu anderen Zeiten hätte man mich vergast. Erstens, weil ich psychisch krank bin (war), wie auch immer, und zweitens, weil der Mensch für mich im Vordergrund steht. Nicht die Politik. Deutschland ist mitten im Krieg. Letztes Jahr für 7 Milliarden Euro Waffen geschoben, Deutschland ist der größte Waffenexporteur Europas. Wir kämpfen in Afrika und Afghanistan. Wir sind Konsumsüchtig. Edelsteine, Gold, Öl, Gas … Unsere Waffen töten in Syrien Tausende von Menschen. Wer würde da nicht fliehen wollen? 65 Millionen Menschen sind auf der Flucht. — Ach, ich wollte ja über Freunde schreiben. Aber egal jetzt. Deutschland, Europa geht vor die Hunde, ganz klar. Aber es geht doch gerade die ganze Welt vor die Hunde. Wir fahren den Karren an die Wand. Voll. Warum soll es uns Deutschen besser gehen als dem Rest der Welt? Wir sind keine besseren Menschen, wir haben bis jetzt nur Glück gehabt, das ist alles. Ich weiß, ich wiederhole mich. Ich finde es durchaus wichtig, ab und zu etwas Spaß zu haben bei der ganzen Scheiße, die läuft. ne Lesung in Linden zum Beispiel. Ein Konzert. ne Radtour. Im Schwimmbad. ne Zigarre mit Whisky. Klar. Etwas Kultur. Zumindest sollte man in diesen paar Stunden gut drauf sein und die Politik außen vor lassen. Und den ganzen Hass. Und die ganzen Aggressionen. Ja ja, leider werden es im Alter immer weniger Menschen, mit denen man klarkommt, klarkommen will auch. Man entscheidet sich vielleicht eines Tages. Trotzdem muss man genau überlegen, ob man eine Freundschaft aufgeben will oder nicht …

Mittwochmorgen

Zusammengefasst: Du kannst nichts mitnehmen. Das Gewissen bleibt bis zum Tod. Es gibt Menschen, die sich alles schön reden und natürlich IMMER GUT waren, ihr ganzes Lebenlang. Die glauben das wirklich. Wie dem auch sei. Geh vorsichtig mit deinen paar Freunden um, sei froh drum, wenn du ein paar wenige hast. Ganz auf einer Welle bist du sowieso mit keinem. Jeder hat seine Macke. Man selbst selbstverständlich auch. Das sollte man nicht vergessen. Also nett und freundlich bleiben, wenn möglich. Trotzdem seine Meinung vertreten. Ist oft schwer, ich weiß. Bei manchen Themen kann man kaum ruhig bleiben. Da muss man seine Stimme erheben! Ist auch egal jetzt — euch eine schöne Restwoche   !

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