Taube

Guten Morgen

Endlich kann ich wieder beten. Endlich kann ich wieder danken. Endlich kann ich wieder reuen.

Der Himmel ist heute Morgen grau verhangen.

Und jetzt ist es gleich halb elf am Abend.

Es geht mir nicht um materiellen Reichtum. Vollendet reich kannst du nur im Herzen sein. Das heißt nicht, dass ich geizig zu mir sein werde, wenn das Ding durch die Decke geht. Ich liebe den Luxus. Doch darauf kommt es nicht an. Mir geht es darum, mit der letzten Version … vom Paradies die ganze Welt zu erreichen. Zu erreichen. Die ganze Welt reich zu machen. Reich im Herzen, aber auch reich an Gütern. Kein Mensch soll mehr hungern und dursten und frieren und fliehen und schießen. Es kann nur durch die Kunst funktionieren. Nur durch Literatur. Ich sehe keine andere Möglichkeit. Es gibt keine andere Möglichkeit. Mir ist egal, völlig wumpe, ob ihr mich größenwahnsinnig findet. Ja, es ist das größte Ding überhaupt. Entweder läuft alles so weiter, also, ich jobbe wieder übers Jahr, oder das Ding schlägt ein wie eine Bombe. Mehr als an diese zwei Möglichkeiten kann ich nicht glauben. Dabei wäre es ja schon schön, wenn ich ein paar tausend Bücher verkaufen würde, um eben nicht mehr jobben zu müssen. Das Buch ist ein gefährliches Unterfangen. Mehr möchte ich dazu noch nicht schreiben. Mir bringt es derzeit riesige Freude, an meinen gesammelten Gedichten zu arbeiten. Einhundertzehn Gedichte sind schon druckreif, vermutlich werden es doppelt so viele. Jede freie Minute nutze ich am Rechner, um die Verse makellos auf dem Monitor lesen zu können und sie schon bald meinem Freund und Grafiker Jean zuzusenden. Viele der Gedichte betrachte ich als gelungen, manche sind natürlich etwas schwächer. Doch jedes Stück vermittelt eine Botschaft. Jedes Gedicht steht für sich. Die letzte Version … ist es ein Fluss. Die 700 Seiten hängen wie eine Kette zusammen. Kein Glied darf fehlen. Ich muss zugeben, dass ich einen geheimen Kunstgriff angewandt habe, um den Leser besser packen zu können. Die Entscheidung hierfür ist mir nicht allzu schwer gefallen. Und ich musste eine ganze Menge zensieren, sonst wäre es noch gefährlicher geworden, als es sowieso schon ist. Leider gibt es totale Fanatiker, die für ihre Vorstellungen töten. Und dabei spielt es keine Rolle, welcher Religion sie angehören. Es gibt keine bessere oder schlechtere Religion. Es gibt nur einen Gott. Und dieser Gott verlangt Liebe. Liebe zwischen den Menschen. Also Zwischenmenschlichkeit. Ich kann zu meinem Buch nichts. Ich kann mich auch nicht gegen die Veröffentlichung wehren. Als ich die Zeilen empfangen habe, bin ich schwer psychotisch gewesen. Schwer psychotisch und doch glasklar. Klarer als klar. Ich konnte nichts dagegen tun. In vierzig Tagen sind es 800 handgeschriebene Seiten geworden. Die Originale habe ich damals (bei einem für mich magischen Feuerritual) verbrannt. Auch dies steht geschrieben.

Heute ist Sonntag. Es ist jetzt gleich 23.00 Uhr. Ich werde noch zwei, drei Gedichte in den Rechner knallen und dann zu Bett gehen, damit ich morgenfrüh ausgeschlafen und fit für den Tag bin. Ich würde gern schreiben, dass ich euch liebe. Aber ich kenne euch ja nicht. Ich weiß nicht, wer mich in diesem Augenblick liest. Auf jeden Fall wünsche ich euch alles Liebe. Macht es gut

Taube

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