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Ganz still ist es im Haus. Noch bin ich müde, und ja, etwas matschig. Kennst du das? Du träumst intensiv, wachst auf – und zack – ist der Traum weg. Aus deinem Gedächtnis gestrichen. Hast du Alpträume? Hatte ich über viele viele Jahre. Immer wurde ich verfolgt. Ich habe mich versteckt, bin gerannt, habe mich geduckt, habe geschrien, geschwitzt, hatte Angst, bin schreiend und schweißnass aufgewacht. Im Laufe der Jahre wurde mein Schlaf nach und nach angenehmer. Schon lange hatte ich keinen Alptraum mehr.
Ich möchte nochmal auf meine verlorengegangene Fantasie zu sprechen kommen. Vermutlich wird der Rest, der mir geblieben ist, nicht mehr für einen Roman ausreichen. Schade ist das schon. Aber eines ist klar: Die Medis werde ich trotzdem nicht umstellen lassen. Denn mein Leben ist lebenswert geworden. Ich kann einige alte Sachen überarbeiten, doch selbst das fällt mir schwer. Und auch einen Roman zu lesen, mich hineinzusteigern, ist derzeit nicht drin. Zum Glück gibt es genug gute Podcasts. Was mir aber hingegen gelingt, ist, dass ich mich ausgezeichnet auf Gespräche einlassen kann und konzentriert bin. Ich bin nicht mehr zerfahren, woanders mit meinen Gedanken, bin in der Welt, die gerade stattfindet. Zudem bin ich am Weltgeschehen interessiert, auch wenn ich nur selten Nachrichten höre oder die Zeitung aufschlage. Wenn ich zum Beispiel im Garten arbeite, bin ich ganz bei der Sache. Auch meinen Job schaffe ich gut. Ich will gar nicht schreiben, warum die letzten zweieinhalb Jahre so hart gewesen sind. Und die Angst ist manchmal immer noch da. So viel verrate ich: In den letzten Jahren ist mir noch einmal voll bewusst geworden, wie sehr ich meine Frau liebe. Ohne sie möchte ich nicht sein. Zusammen mit unserem Sohn sind wir eins. Ich wünsche mir und hoffe, dass dies noch für viele Jahre so bleibt.
Wie schnell die Zeit vergeht. In diesem Jahr bin ich siebzehn Jahre verheiratet. Ich hätte nicht gedacht, dass eine intensive Liebe so lange möglich ist. Natürlich mit Höhen und Tiefen. Wir hatten bisher das große Glück, dass, wenn es mir schlechtging, meine Frau mich auffangen konnte. Ging es ihr nicht gut, bin ich zur Stelle gewesen. Wer weiß, ob wir, wären wir allein geblieben, noch leben würden. Ehrlich gesagt gab es noch keinen Tag, an dem ich mich nicht auf meine Frau gefreut habe. Einerseits bin ich gern allein. Andererseits brauche ich oft jemanden um mich herum. Deswegen lege ich auch so viel wert auf Freundschaften. Und pflege diese.