Bewusste Gefühle

Samstagabend, 22.00 Uhr

Ich bin auf dem Teppich. Mir geht es gut. Ich fühle mich klar. Ich fühle mich ausgeglichen – heute Abend. In letzter Zeit bin ich manchmal ziemlich traurig. Ich kann nicht beschreiben, warum. Zu viele persönliche Sachen beschäftigen mich. Wenn ich meine vielen Gedichte lese, denke ich: Oh Gott, was hast du da alles geschrieben!? Literarisch sicherlich zum Teil ganz weit unten. Jedenfalls die Texte, die psychotisch sind. Doch damals waren sie so sinnvoll für mich. Zu Tränen war ich gerührt. Von Heulattacken überschwemmt. Ich habe mich so verantwortlich für die ganze Welt gefühlt. Heute – jedenfalls heute Abend – bin ich meilenweit davon entfernt. Und das, obwohl ich 390 Seiten in drei Tagen schon überarbeitet habe. Ich habe genügend Abstand gewonnen. Ich kann sagen, dass mich die Letzte Version … vom Paradies sogar zurück auf den Boden bringt. Gerade weil ich heute erfassen kann, wie wahnsinnig die meisten Verse sind. Ich weiß nicht, ob ich mir als fremder Leser die Mühe machen würde, die 475 Seiten durchzuackern. Viel wiederholt sich. Viel ist einfach größenwahnsinnig. Nicht umzusetzen. Einiges aber beschreibt ganz klar unsere Gegenwart. Und auch unsere Zukunft. 2003 habe ich für 2018 einen Weltkrieg vorausgesagt. Ich hoffe, wir werden ihn nicht im Jahr 2022 bekommen. Was passiert, wenn die Russen in die Ukraine einmarschieren? Wie werden die Amis reagieren? Für mich schwer nachzuvollziehen. Für mich schwer vorauszuschauen. Dafür bin ich nicht intelligent genug. Dafür verstehe ich zu wenig von Krieg. Ich bin so froh, dass in meinem kleinen Kreis Frieden herrscht. Auch wenn ein paar frühere Freunde nichts mehr mit mir zu tun haben wollen, ist der Kreis noch groß genug. Ich habe über eine Handvoll gute Freunde, und zwei Hände voll gute Kumpels. Könnte ich, wie ich wollte, würde ich eine Firma gründen, vielleicht eine Stiftung, und all diesen Freunden, Freundinnen und Kumpels einen vernünftigen Job anbieten. Lasst es zwanzig bis dreißig Menschen sein. Natürlich ist dies nur eine Vorstellung. Eine Idee. Vielleicht nicht einmal mehr eine Vision. Die Vision an sich ist viel viel größer. Größer und wahnsinniger. Vielleicht macht mich gerade das so traurig – dass ich immer mehr Boden unter die Füße bekomme. Gerade dabei bin, zu gesunden. Für eine gewisse Zeit zumindest. Fast jede meiner Psychosen ist zu dieser Jahreszeit ausgebrochen. Spätestens zum Mai. Heute Abend fühle ich mich okay. Und heute morgen war ich etwas melancholisch. Ich habe das Recht, traurig zu sein. Jeder hat das Recht dazu. Jeder Mensch darf trauern oder freuen. Wer will es ihm verbieten? Es ist so wichtig, dass uns unsere Gefühle bewusst sind.

Gute Nacht

Henning

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.