Guten Abend,
der Text sollte viel länger werden, aber mein Laptop ist vorhin abegstürzt, hatte schon einiges geschrieben, kann ich jetzt an diesem PC nicht wiederfinden. Die Technik wird für mich immer ein nicht zu verstehendes Medium bleiben. Hier steht jetzt auch alllisch, Sitze im Zimmer meiner Frau, auf dem Schreibtisch ein Bild meines Sohnes. Morgen vor fünf Jahren brannte unser schönes Haus ab, in den letzten fünf Jahren sind wir viermal umgezogen, seit zwei Jahren wohnen wir jetzt hier, und endlich haben wir uns eingelebt. Ja, wir fühlen uns wohl, das heißt aber nicht, dass ich nicht noch mal umziehen würde. Hätte ich nichts gegen, vielleicht nach Hamburg oder Berlin. Ich liebe beide Städte, habe auch Freunde in beiden Städten, bin ja sowieso ein offener Typ und hatte noch nie Probleme, auf Leute zuzugehen, meine Frau genauso wenig. Hamburg würde mich noch mehr reizen, als Berlin, glaube ich. Dieser riesige Hafen hat für mich schon fast eine magische Bedeutung, es ist sowieso kaum zu erfassen, was auf den Straßen Hamburgs abläuft. Ich liebe das Großstadtleben, muss mich aber auch zurückziehen können. Also Außenalster oder Elbchaussee würde ich sagen. Charlottenburg oder Zehlendorf oder irgendwas. Außerhalb des pulsierendes Lebens, aber nahe genug, um mal kurz einzutauchen und mitzumachen. Hier bei Hannover ist es wundervoll, aber ehrlich gesagt, ist mir ein bisschen zu wenig los. Zumindest unter der Woche. Klar, da gibt es ein, zwei coole Kneipen, wo man hingehen kann, oder hier und da mal eine Lesung, ein Konzert, sonst was, aber der Kick fehlt. Die Absinthbar zum Beispiel, der Kiez auf St. Pauli, der Kiez in Neukölln oder Kreuzberg, meine alte Heimat. Immer noch aktion, täglich, von morgens bis morgens. Künstler überall. Im Winter ist Berlin wirklich nicht so schön, aber da könnte man ja nach Kuba jetten. Ich möchte und brauche Abwechslung, war noch nie der Typ, der sehr lange auf der Stelle gestanden hat. Fanta Vier: „In der Bewegung liegt die Kraft!“ So ist es. Keine Ziele vor Augen zu haben, bedeutet, tot zu sein. Marius singt: „Langeweile macht dumm …“ Recht hat er. Ich höre im Moment ziemlich viel Marius und Udo, alte Scheiben, die mich an frühere Zeiten erinnern. Mein Sohn hört den ganzen Tag Udo. Morgen startet der Rockliner, ach, wie gern wäre ich dabei. Ausverkauft das Ding. Nächstes Jahr muss ich mit Jean mit. Wir müssen da auftreten, Lesungen auf dem Klo oder so was, egal, scheißegal, Hauptsache drauf. Ich muss mit Udo sprechen, es wäre für mich dramatisch, würde er oder ich sterben und wir hätten nie drei Worte miteinander gewechselt. Marius und Udo haben meine Jugend, fast meine Kindheit geprägt, sie waren meine Ausflucht, sie haben mich zeitweise gesunden lassen. Das haben andere aus meiner Famlie nicht geschafft. Es ist nicht nur die gedankliche Erinnerung, die erwacht, wenn ich die alten Scheiben höre, mein ganzes Körpergefühl verändert sich. Ich werde total getriggert. Aber es gibt mir nichts mehr, zu ihren Konzerten zu gehen, zu oft habe ich sie live gesehen, ich wollte damals schon mehr, in den 90ern, damals wollte ich mit Marius einen Film drehen, ich drogensüchtig, er mein Säufer- und Zockerapa, so wie im echten Leben. Ich hab damals nicht gerafft, dass Marius alles nur spielt, deswegen war ich auch so wütend auf ihn, habe ihn sogar gehasst, nie hat mich ein Mensch mehr verletzt. Krankhaft, ich weiß. Fanatisch. Nie wollte ich zum Stalker werden, hab ihm aber einige Briefe und Skripte zugeschickt, in seiner Plattenfirma angerufen und so n Scheiß. Jetzt bin ich fast 50, und ich finde, ich bin ganz schön erwachsen geworden,. Nein, um Gottes willen, nicht immer, das ist nämlich ebenfalls der Tod. Es gibt ja Menschen, die waren schon immer erwachsen, die haben noch nie ins Waschbecken gepisst. Ich geh gleich runter ne Zigarre rauchen. Die Stille genießen, den Geschmack, die Gedanken, die einfach so kommen und die ich beobachten werde. Ich pusche mich gern ein bisschen, ein bisschen hypomanisch durch die Nacht fliegen. Nachher n Yogitee, dann klappt das mit dem Einschlafen auch.